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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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mir nur seine Version liefern.«
    »Shenk? Annie Ganders Freund?«
    »Ja, der Schöne Willie. Die Begegnung wird von dritter Seite arrangiert. Ich habe nicht versprochen, niemanden mitzubringen, wenn Sie also teilnehmen wollen, werden Sie vielleicht etwas Interessantes erfahren.«
    Dave schluckte mühsam. Sein Kontakt mit der Verbrecherwelt beschränkte sich auf Balkonsitze bei Gangsterfilmen.
    »Wunderbar, Max. Wo soll das stattfinden?«
    »Das ist eines der Probleme. Wir brauchen einen möglichst abgelegenen Ort. Wie wäre es in Ihrem Büro – gegen Mitternacht?«
    »Okay. So spät arbeitet ja doch keiner mehr.«
    »Gut; bis dahin.«
    Dave aß im ›Lucia‹ zu Abend und kehrte einige Minuten nach elf ins Büro zurück. Er blätterte zerstreut in seinen Papieren und horchte mit einem Ohr nach dem Geräusch des Aufzugs.
    Zehn Minuten nach zwölf tauchten sie auf.
    »Hallo!« sagte Theringer lächelnd und holte sich einen Stuhl heran. »Hübsches Zimmer. Das ist Mr. Shenk.«
    Dave betrachtete das blasse, schmale Gesicht, das wie eine Maurerkelle geformt war. Willie Shenk hatte dicke Augenlider
    und dichte schwarze Wimpern. Der Mund war klein, die Lippen voll. Wenn nicht die Nase gewesen wäre, hätte er im Fahndungsblatt die Bezeichnung ›hübscher Bursche‹ verdient. Die Nase war seltsam verkürzt und verlieh seinem Gesicht einen merkwürdigen, unfertigen Ausdruck. Er wirkte nicht sehr gefährlich.
    »Wie gehts?« sagte er tonlos.
    »Gut«, sagte Dave und ließ sich in seinen Drehsessel sinken.
    »Es handelt sich um eine zwanglose Unterredung«, begann Theringer. »Mr. Shenk hat mich bereits über die näheren Einzelheiten informiert. Möchten Sie es wiederholen, Willie?«
    Shenk sah finster drein. »Da ist ja nicht viel zu sagen. Ich hab Annie nicht umgelegt. Ich bin kein Mörder. Aber ich möcht den Kerl, der es getan hat, gern in die Finger bekommen.«
    »Was würden Sie mit ihm anfangen?« fragte Theringer in sanftem Ton.
    »Ich würd ihn umbringen.«
    Dave lockerte den durchschwitzten Kragen. Trotz seiner mädchenhaften Züge und seines schmächtigen Körperbaus machte der schöne Willie jetzt einen ziemlich gefährlichen Eindruck.
    »Erzählen Sie mir, was sich zwischen Ihnen und Annie abgespielt hat«, sagte Dave zögernd.
    Willie musterte ihn scharf. »Was haben Sie denn für ein Interesse daran, lieber Mann? Max behauptet, daß Sie sie nicht gekannt haben, aber vielleicht lügt er. Sie hat viele merkwürdige Typen gekannt.«
    Dave zuckte leicht zusammen. »Nein, ich kannte sie nicht. Ich bin nur genauso wie Sie daran interessiert, den Mörder zu finden. Aus privaten Gründen. Aber nach dem, was Max mir erzählt...«: Er holte tief Atem. »Die Polizei hält Sie für den Täter. Sie waren als letzter mit Annie beisammen. Sie hatten die Gelegenheit. Sie hatten wahrscheinlich auch ein Motiv.«
    »Blödsinn. Motiv! In den letzten acht Jahren waren wir immer gute Freunde. Ich kann aber in meinem Beruf kein geordnetes Familienleben führen – Sie verstehen, was ich meine. Annie hat oft von Heirat gesprochen, aber ich wollte mich nicht darauf einlassen. Das heißt doch nicht, daß ich sie nicht mochte. Ich –«
    Theringer unterbrach ihn. »Sie werden aber nicht behaupten wollen, daß sie Ihnen treu war, Willie? Sie hatte ihre diversen Freunde.«
    »Das wußte ich«, erwiderte Shenk mit Würde. »Ich hab ihr alles gegönnt. Ich hab nur von ihr verlangt, daß sie nicht rumbumst, solange ich in der Stadt bin. Das ist doch nicht zu viel verlangt?«
    »Nein«, sagte Dave liebenswürdig, »das ist nicht viel.«
    »Und sie hat sich immer daran gehalten?« fragte Theringer. »Oder hat sie Sie vielleicht ab und zu ein wenig betrogen? Und haben Sie deswegen Streit bekommen?«
    »Nein!«
    »Wie aber verhält es sich mit dem Baby?« fragte Dave rundheraus.
    »Mit was für einem Baby?«
    Dave zwinkerte mit den Augen. »Soll das heißen, daß Sie nichts von Annies Kind wußten?«
    »Max hat mir davon erzählt. Nur, wie gesagt – ich bin oft verreist.«
    »Sie wissen also nicht, wer der Vater ist?«
    »Da könnten ein halbes Dutzend in Frage kommen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Mich dürfen Sie nicht fragen«, sagte Willie Shenk.
    Dave nickte. »Hat sie Ihnen gegenüber jemals ein Werbebüro namens Hagerty & Tait erwähnt? Einen Mann namens Homer Hagerty oder einen gewissen Gordon Tait?«
    »Nie gehört.«
    Dave seufzte. »Das nützt mir wenig.«
    Max Theringer beugte sich vor. »Schauen Sie, Willie, diese Zusammenkunft war Ihre

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