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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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mißverstehe! Sie meinen, wir sollen Willie Shenk meinem Chef als neuen Erpresser auf den Hals hetzen? Und dann abwarten, bis er umgebracht wird?«
    »Ja. Wer wird Willie vermissen? Er ist weiter nichts als ein Schmutzfleck auf dem Löschpapier der Polizei.« Theringer lächelte und runzelte gleichzeitig die Stirn. »Nein, so war es eigentlich nicht gemeint. Ich meine, wir sollen Hagerty jede Gelegenheit geben, Willie genauso zu beseitigen, wie er – zumindest meiner Meinung nach – Annie beseitigt hat. Nur mit dem Unterschied, daß wir es nicht soweit kommen lassen. Dann haben wir mehr Beweise, als wir brauchen, um ihn an den Galgen zu bringen.«
    »Warum aber sollte Willie mitmachen? Und was ist, wenn etwas schiefgeht?«
    »Beide Fragen kann ich nicht beantworten. Meiner Meinung nach wird Willie mitmachen, weil er nicht weiß, daß man ihn von der Liste der Verdächtigen gestrichen hat. Ich könnte ihm einreden, daß das die einzige Möglichkeit für ihn sei, sich reinzuwaschen. Und meiner Meinung nach wird es nicht schiefgehen, wenn wir die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen treffen. Aber ich kann nichts versprechen. Wenn man, auch mit dem besten Köder, Haifische angeln geht, wird man manchmal von ihnen erwischt.«
    »Mir gefällt es nicht«, murmelte Dave unruhig.
    »Das kann ich Ihnen nicht verdenken. Aber es ist ein Weg, um sich von der Schuld oder Unschuld Ihres Chefs zu überzeugen. Es liegt an Ihnen, lieber Freund. Wie gesagt, Sie können auch ganz einfach das Bargeld ein- und den Kopf in den Sand stecken. Das wäre das vernünftigste.«
    Dave starrte in sein Glas, als suche er bei den Eiswürfeln eine Antwort. »Wenn Sie wirklich glauben, daß Willie mitmacht.«
    »Ich nehme es an.«
    »Dann mache ich auch mit«, sagte Dave.
    Als er am späten Abend in seine Wohnung kam, vermochten sämtliche Lichtschalter, die Dave anknipsen konnte, die düstere Stimmung nicht zu verscheuchen.
    Es war zehn, und er war nicht schläfrig. Er stellte das Fernsehgerät an und sah einen glücklichen Quizteilnehmer mit einem strahlend weißen Cadillac davonfahren. Das Nachtprogramm brachte einen echten Kriminalfilm, und er folgte der blutrünstigen Handlung mit viel zuviel Anteilnahme. Als die Reklame kam, beschloß er, sich nicht anzuhören, was die Ärzte gegen Kopfschmerzen, Neuralgie und Arthritis empfehlen, sondern ging in die Küche, um eine Flasche Bier zu holen. Als er zurückkehrte, klingelte das Telefon. Er griff nach dem Hörer.
    »Dave? Sie haben doch nicht schon geschlafen, oder?«
    »Nein. Wer spricht dort?«
    Die Frauenstimme antwortete: »Ruth Bernstein. Ich habe schon einmal angerufen, aber Sie waren nicht zu Hause. Passen Sie auf! Ich habe über die Sache nachgedacht, die Sie erwähnten, als Sie bei mir waren. Sie ging mir nicht aus dem Kopf. Warum ist es so wichtig zu wissen, wer hierherkam, um sich fotografieren zu lassen?«
    »So wichtig ist es eigentlich nicht, Ruth. Ich war bloß neugierig.«
    »Immerhin haben Sie mir einen Floh ins Ohr gesetzt. Ich möchte Ihnen nicht gern verraten, was mir alles durch den Kopf gegangen ist. Haben Sie den Film entwickeln lassen?«
    »Ja. Aber die Kamera muß während der Explosion aufgesprungen sein. Sämtliche Bilder waren überbelichtet.«
    »Schade. Auf jeden Fall habe ich heute ein wenig gekramt, nur um zu sehen, ob unter Bobs Papieren und übrigen Sachen etwas zu finden ist. Ich dachte mir, wenn es Sie noch immer interessiert –«
    »Selbstverständlich!«
    »Ich habe ein altes Kassenbuch gefunden, das Bob manchmal benützt hat, um sich Notizen zu machen, Telefonnummern aufzuschreiben und dergleichen. Es lag in seinem Schreibtisch. Genau dort, wo es hingehört.«
    »Ja?« Dave bemühte sich krampfhaft, seine Unruhe zu bezähmen.
    »Es ist nicht gerade ein Vormerkkalender, muß aber auf dem laufenden gewesen sein. Unter dem sechsten September zum Beispiel« – ihre Stimme wurde zittrig – »hatte er einen Hinweis auf unseren Hochzeitstag notiert. Und an seinem Todestag ist ein Name verzeichnet. Das muß die Person gewesen sein, die zu ihm kam, um sich fotografieren zu lassen.«
    »Wer ist es denn?« fragte Dave gleichgültig, kühl, fast uninteressiert.
    »Ich habe das Buch vor mir liegen. Hier steht: ›B – Janey Hagerty.‹ Ich weiß nicht, was das B bedeutet, aber Sie kennen doch Janey Hagerty, nicht wahr? Die nette, junge Dame, die in Ihrer Firma beschäftigt ist? Dave.?«

12
    Es kommt aus Gewehrläufen
    Der Dienstag ist der schlimmste Tag. Er hat nicht

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