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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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die betäubende Wirkung des Montags, die Solidität des Mittwochs, das hoffnungsfrohe Gesicht des Donnerstags, die Feierabendstimmung des Freitags. Der Dienstag ist am schlimmsten, und Dave erwachte in einem Wirrwarr durchschwitzter Laken mit der Erkenntnis, daß dieser Dienstag alle seine Vorgänger übertrumpfen würde.
    Zum erstenmal seit Wochen beschloß er, sich mit einem Frühstück von normalem Umfang zu stärken. Während er es bereitete, kreisten seine Gedanken unaufhörlich um Janey. Was hatte ihr Name in Bernsteins Vormerkkalender zu suchen? War sie die Kundin gewesen, die sich angemeldet hatte? Aber an dem Tag, an dem der Fotograf seinen tödlichen Unfall erlitten hatte, war Janey zusammen mit Dave bei den Clarkes gewesen. Sie war nicht einen Augenblick lang von seiner Seite gewichen. Wenn sie sich schon mit Bernstein verabredet hatte – warum hatte sie die Verabredung nicht eingehalten? Und wenn sie im Namen einer dritten Person angerufen hatte.
    Als er ein weichgekochtes Ei aufklopfte, verbrannte er sich den Finger und heulte auf. Der Toast hopste halb geröstet aus dem Apparat. Er stopfte ihn zurück und erhielt ein schwarzes, ungenießbares Stück Kohle. Der Kaffee war wäßrig, und er konnte den Deckel des Marmeladeglases nicht aufschrauben.
    Hungrig verließ er die Wohnung. Ein leichter Regen hatte alle verfügbaren Taxis weggezaubert, er mußte also den Bus nehmen. Das Schneckentempo war qualvoll. Es drängten sich so viele Fragen in seinem Gehirn, daß er es nicht erwarten konnte, Janey zu treffen und die Antworten zu hören. Wenn sie die Verabredung im Auftrage Homers getroffen hatte, warum hatte sie das nicht erwähnt? Hatte sie es absichtlich verschwiegen? Und was bedeutete das B neben ihrem Namen?
    Aber als er ins Büro kam, war Janeys Zimmer leer.
    Die Empfangsdame Jody beantwortete seine Frage. »Miss Hagerty? Sie liegt zu Bett. Gestern nachmittag bekam sie Schnupfen und ging gegen zwei Uhr nach Hause.«
    »Danke«, sagte Dave. »Ich werde sie dort anrufen.«
    Er rief von seinem Schreibtisch aus an, und als Janey sich meldete, klang ihre Stimme verschleimt und kläglich.
    »Ich höre zu meinem Bedauern, daß du krank bist«, sagte Dave. »Kann ich etwas für dich tun?«
    »Du könntest mich in Ruhe lassen«, erwiderte Janey gereizt, »ich habe eben fest geschlafen.«
    »Ich würde dich nicht belästigen, aber es ist etwas Wichtiges zur Sprache gekommen. Ich war bei Mrs. Bernstein, Bobs Witwe.«
    »Hast du ihr eine heruntergehauen?«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich dachte, das wäre dein neues Hobby, Leuten eine herunterzuhauen.«
    »Mach keine dummen Witze. Ruth hat mir erzählt, an dem Tag, als Bob ums Leben kam, habe sich jemand bei ihm angesagt, um eine Porträtaufnahme machen zu lassen. Als ich bei ihr war, wußte sie nicht, um wen es sich handelte, aber gestern abend rief sie mich an. Sie hatte deinen Namen in Bobs Kalender gefunden.«
    »Meinen Namen?«
    »Ja. Hattest du dich bei ihm angesagt?«
    »Nie im Leben«, erwiderte Janey. »Willst du jetzt bitte aufhören und mich schlafen lassen?«
    »Hast du im Auftrag einer dritten Person angerufen?«
    »Als Bob seine Stellung verlor, habe ich, um ihm zu helfen, überall herumerzählt, daß er Porträtaufnahmen macht. Aber ich habe keine Verabredung mit ihm getroffen. Laß mich jetzt in Frieden, sonst blase ich dir lauter Bazillen durchs Telefon.«
    »Okay, okay«, brummte Dave. »Ich lasse dich in Frieden. Aber wir müssen uns sprechen, Janey. Ich habe dir so vieles zu erzählen.«
    »Hast du noch nicht gelernt, Adieu zu sagen?«
    »Okay, okay. Adieu!«
    Ein paar Minuten später erschien der Chef der Presseabteilung, um die nächsten Burke-Termine zu besprechen. Eine Stunde verging mit einer langweiligen Diskussion über Zeilenpreise, Rabatte und Handelsspannen. Der Mann saß noch immer bei ihm, als um elf Uhr Louise das Klingeln seines Telefons beantwortete und ihm meldete:
    »Mr. Theringer wünscht Sie zu sprechen.«
    »Er soll am Apparat bleiben«, sagte Dave hastig. »Sind wir fertig, Jerry? Das ist ein persönlicher Anruf.«
    »Freilich sind wir fertig.«
    Als Dave allein war, griff er nach dem Hörer und flüsterte: »Max? Was gibts?«
    »Allerlei. Gestern abend habe ich unseren gemeinsamen Freund erwischt, den mit der komischen Nase. Ich dachte, ich würde ihm furchtbar zureden müssen, aber ich hatte mich geirrt. Er war Feuer und Flamme.«
    »So?«
    »Ich glaube, Willie will in sich gehen«, sagte Theringer lachend. »Er ist

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