Das Grauen im Museum
schierer Faszination seine Besuche fort, obwohl er wußte, daß er die Achtung seines Gastgebers verloren hatte. Ab und zu versuchte er, Rogers dadurch bei Laune zu halten, daß er irgendeiner verrückten Andeutung oder Behauptung zustimmte, aber der hagere Schausteller ließ sich durch solche Winkelzüge nur selten täuschen.
Im September erreichte die Spannung dann einen Höhepunkt. Jones war eines Nachmittags ins Museum gekommen und schlenderte durch die düsteren Korridore, mit deren Schrecknissen er jetzt so vertraut war, als er ungefähr aus der Richtung von Rogers’ Werkstatt ein sehr merkwürdiges Geräusch vernahm. Auch andere hörten es und erschraken, als die Echos durch die weitläufigen Kellergewölbe hallten. Die drei Wärter wechselten merkwürdige Blicke, und einer von ihnen, ein dunkler, schweigsamer, ausländisch wirkender Bursche, der Rogers bei Reparaturen und beim Entwurf neuer Gestalten zur Hand ging, lächelte auf eine Weise, die seine Kollegen zu verwirren schien und Jones gegen den Strich ging. Es war das Jaulen oder Heulen eines Hundes, und es war ein Laut, wie er nur durch äußerste Angst und Qual ausgelöst werden konnte. In dieser grotesken Umgebung wirkte er doppelt schauerlich. Jones erinnerte sich, daß Hunde nicht in das Museum durften. Er wollte gerade zu der Tür gehen, die in die Werkstatt führte, als der dunkle Wärter ihn durch Zuruf und Geste zurückhielt. Mr. Rogers, so sagte der Mann mit leiser Stimme, die zugleich entschuldigend und überheblich klang, sei ausgegangen, und er habe Anweisung, während seiner Abwesenheit niemanden in die Werkstatt zu lassen. Das Jaulen sei zweifellos aus dem Hof hinter dem Museum gekommen. In dieser Gegend gebe es viele Straßenköter, die oft lautstarke Kämpfe untereinander austrügen. Im Museum gebe es nirgends Hunde, falls aber Mr. Jones Mr. Rogers sprechen möchte, könne er dies kurz vor der Schließung des Museums tun. Jones stieg daraufhin die alten Steinstufen zur Straße hinauf und nahm die Nachbarschaft in Augenschein. Die windschiefen, halb verfallenen Gebäude einstige Wohnhäuser, die jetzt zum größten Teil in Läden und Lagerhäuser umgewandelt waren -waren in der Tat sehr alt. Manche von ihnen hatten noch Giebel aus der Tudorzeit, und über der ganzen Gegend hing ein unangenehmer Geruch. Neben dem schmuddeligen Haus, in dessen Kellergeschoß sich das Museum befand, war ein niedriger Bogengang, der von einer dunklen, gepflasterten Gasse gekreuzt wurde, und in diese bog Jones ein, in der vagen Hoffnung, den Hof hinter der Werkstatt zu finden und die Sache klären zu können. Der Hof war zu dieser späten Nachmittagsstunde dämmrig, denn er war auf allen Seiten von
Häuserrückseiten umschlossen, die noch häßlicher und bedrohlicher waren als die abbröckelnden Fassaden der alten Häuser. Hund war keiner zu sehen, und Jones fragte sich, wie es möglich war, daß eine solche Rauferei keinerlei Spuren hinterlassen haben sollte.
Trotz der Behauptung des Wärters, es gebe im Museum selbst keine Hunde, sah Jones nervös auf die drei schmalen Fenster der Werkstatt im Kellergeschoß schmale, waagerechte Rechtecke, dicht an dem Pflaster, aus dessen Fugen Gras hervorwuchs, mit halbblinden Scheiben, die widerwärtig waren wie die Augen toter Fische. Links von den Fenstern führte eine Treppe zu einer fensterlosen, schwer verriegelten Tür. Einem plötzlichen Impuls folgend, ging er auf dem feuchten, holprigen Pflaster in die Hocke und versuchte, durch die Fenster in die Werkstatt zu schauen. Die Scheiben waren stark verschmutzt, aber als er sie mit seinem Taschentuch abrieb, sah er, daß die Vorhänge drinnen nicht zugezogen waren. Es war so dunkel im Keller, daß von außen nicht viel zu sehen war, aber hin und wieder tauchten einige der grotesken Utensilien gespenstisch aus der Dämmerung auf, als Jones nacheinander durch jedes der Fenster sah. Anfangs schien es ihm, als ob niemand in der Werkstatt sei, doch als er durch das Fenster ganz rechts schaute dasjenige, das der Gasse, durch die er gekommen war, am nächsten war -, sah er am anderen Ende ein Licht glimmen, das ihn vor ein Rätsel stellte. An dieser Stelle hätte überhaupt kein Licht sein dürfen. Es war eine Innenwand, und er konnte sich nicht erinnern, dort irgendeine Gasoder elektrische Lampe gesehen zu haben. Bei genauerem Hinsehen erwies sich das Glimmen als ein großes, senkrechtes Rechteck,. und das brachte ihn auf einen Gedanken. An dieser Stelle mußte sich die
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