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Das große Buch der Lebenskunst

Titel: Das große Buch der Lebenskunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Grün
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sondern das Spüren dessen, was ist. Nimm wahr, was
     ist. Werde dem gerecht, was die Wirklichkeit deines Lebens ausmacht. Dann wirst du erahnen, dass dich der Alltag zum Eigentlichen führt, zum reinen
     Gewahren des Seins. Und wenn du in Berührung bist mit dem, was ist, dann berührst du den Grund allen Seins. Wenn der Alltag zur Übung wird, wenn er zum
     Ort der Gottesbegegnung wird, dann verwandelt er sich.
    Sei achtsam und behutsam mit dir selber. Und sei achtsam mit den Dingen, die dir anvertraut sind. Inneres und Äußeres sind aufeinander bezogen. Im
     Umgang mit den Dingen drückt sich deine innere Haltung aus. Wie du mit den Dingen umgehst, gehst du auch mit dir um. Wer den Blick verliert für die
     einfachen Dinge, dem wird sich auch der Blick verdunkeln für die inneren Regungen des Herzens.
Rituale öffnen den Himmel
    E rhart Kästner schreibt in seinem Buch »Stundentrommel« über die Riten, die er bei den Mönchen auf dem
     Berg Athos beobachtet: »Neben dem Drang, die Welt zu gewinnen, liegt ein eingeborener Drang, immer Selbes aus uralten Formen zu prägen. In Riten fühlt
     sich die Seele wohl. Das sind ihre festen Gehäuse … Der Kopf will das Neue, das Herz immer dasselbe.« Was Kästner bei den Mönchen des Heiligen Berges
     beschreibt, gilt für uns alle: Ein gelingendes Leben braucht immer wieder Halt und immer wieder Anregungen. Rituale können beides geben. Heilende Rituale
     sind ein Weg, wie der Mensch mitten im Getriebe des Alltags und in der Ortlosigkeit dieser Welt einen Raum zum Wohnen findet, wie er mitten in der Hektik
     einen Ort des Ausruhens entdeckt. Rituale öffnen immer wieder den Himmel über uns. Sie verheißen uns, dass unser Leben gelingt. Und sie helfen uns, selber
     zu leben, anstatt von außen gelebt zu werden. Sie geben Vertrautheit, Klarheit, Sicherheit – das Gefühl der eigenen Identität: Es ist mein Leben, das ich
     lebe. Wenn wir Angst haben, alles nicht mehr schaffen und im Strudel der Arbeit unterzugehen, dann sind Rituale eine Hilfe, Geborgenheit zu vermitteln
     mitten in der Ungeborgenheit unserer Zeit. Rituale sind auch deswegen gesund, weil sie Lust am Leben vermitteln. Ich erfahre in sinnlichen Ritualen ganz
     konkret: Es ist mein Leben, das ich lebe.
Nicht überspannen
    G ut mit sich umzugehen heißt nicht, dass man sich selbst verwöhnt. Es heißt nicht, dass man sich von
     seinen Wünschen und Bedürfnissen abhängig macht. Sein Leben zu gestalten, heißt nicht, seinen Launen nachzugeben. Im Gegenteil: Wer sich seinen Launen
     ausliefert, entwickelt keine Stärke. Wer jedem Wunsch nachgibt, wird auf Dauer nicht zufriedener. Askese und Disziplin – im rechten Maß geübt – gehören
     zu einem guten Leben. Sie vermitteln die Erfahrung, dass wir unser Leben selbst gestalten, dass wir selber leben, anstatt gelebt zu werden.
    Amma Synkletika meint von der übertriebenen Askese: »Es gibt eine überspannte Askese, die vom Feinde ist. Denn auch seine Schüler üben sie. Wie nun
     unterscheiden wir die göttliche, die königliche Askese von der tyrannischen, dämonischen? Offenkundig durch das Maß«.
    Askese darf also nicht zu einem Wüten gegen sich selbst werden. Dann würde sie uns nur schaden. Von Abbas Poimen stammt das Wort: »Alles Übermaß ist
     von den Dämonen«.
Ganz gegenwärtig
    E wigkeit ist, wenn es nicht mehr an Gegenwart fehlt.« (Boethius)
    Ewigkeit ist keine lange Zeit, die nie ein Ende findet. Ewigkeit ist erfüllte Zeit. Ewigkeit bricht in unsere Zeit ein, wenn wir ganz im Augenblick
sind oder, wie der frühchristliche Philosoph Boethius sagt, wenn es nicht mehr an Gegenwart fehlt, wenn reine Gegenwart ist, reine Präsenz. Jeder von
uns kennt solche Augenblicke, in denen man ganz gegenwärtig ist. In ihnen steht die Zeit still. Da ahnen wir, was Ewigkeit ist, da schmecken wir die
Ewigkeit.
    Wie kann es mir an Gegenwart mangeln? Die Gegenwart ist doch einfach da. Ja, sie ist da. Aber wenn ich nicht in der Gegenwart bin, dann fehlt sie
mir. Gegenwart ist Anwesenheit. Wenn ich nicht anwesend bin, ist auch der Augenblick nicht anwesend. Denn der Augenblick bekommt durch mich sein Sein,
seine Präsenz. Ewigkeit ist daher auch, wenn ich ganz anwesend bin, wenn ich ganz bin, wenn ich teilhabe am reinen Sein. Gott ist das reine Sein. Wahre
Gegenwart ist nur in Gott. Gott ist stets gegenwärtig. Und wenn ich gegenwärtig bin, ist Gott in mir und ich in Gott.
Lebensspannung
    E s gibt eine Mönchslegende aus dem Zisterzienserkloster

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