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Das große Buch der Lebenskunst

Titel: Das große Buch der Lebenskunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Grün
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diesem Urgrund bin ich eins mit der Schöpfung, eins mit Gott,
eins mit Raum und Zeit. Raum und Zeit hören in dieser kontemplativen Erfahrung auf zu existieren. Da berühre ich die Ewigkeit, da bricht die Ewigkeit
ein in mein Leben.
Inmitten der Zeit
    V om Verhältnis der Zeit zur Ewigkeit schreibt Angelius Silesius, der Dichter des »Cherubinischen
Wandersmann«, den berühmten Vers:
    »Zeit ist wie Ewigkeit und Ewigkeit wie Zeit,
    So du nur selber nicht machst einen Unterscheid.
    Ich selbst bin Ewigkeit, wenn ich die Zeit verlasse
    Und mich in Gott und Gott in mich zusammenfasse.«
    Es sind mutige Verse, paradoxe Verse. Aber diese Erfahrung ist nicht mehr zu erklären, auch wenn die Mystiker immer wieder versucht
haben, das Geheimnis der Ewigkeit mitten in der Zeit zu beschreiben. Für sie ist die Kontemplation, die Anbetung, das Gebet überhaupt, der Ort, an dem
der Mensch die Zeit überwinden kann.
    In den Versen des Angelus Silesius klingt die Erfahrung von Meister Eckhart an, der sich immer wieder mit dem Geheimnis von Zeit und Ewigkeit
auseinandergesetzt hat. Ihm geht es um die Erfahrung von Ewigkeit inmitten dieser Zeit. Für Meister Eckhart hängt alle Seligkeit daran, »dass der Mensch
durchschreite und hinausschreite über alle Geschaffenheit und alle Zeitlichkeit und alles Sein und eingehe in den Grund, der grundlos ist«. Im
Einswerden mit Gott überschreitet der Mensch die Zeit, da hat er teil an der Ewigkeit. Eckhart geht davon aus, dass Gott jenseits der Zeit ist. Und
insofern ist die Erfahrung Gottes immer auch eine Erfahrung des Zeitjenseitigen, des Ewigen. Wenn ich in der Kontemplation mit Gott eins werde, dann
hört in diesem Augenblick die Zeit auf. Es gibt kein Vorher und Nachher. Es gibt nur reine Gegenwart. In so einem Augenblick können wiroft nicht sagen, wie lange er dauert. Die Alten sprechen hier von Erleuchtung, die Buddhisten nennen es satori. Auf einmal blitzt in uns
etwas auf. Wenn wir das innere Licht in uns sehen, dann kann es sein, dass wir nach einer halben Stunde auf die Uhr sehen und das Gefühl haben, es war
nur ein kurzer Augenblick, den wir da gesessen sind. Die Zeit ist still gestanden, weil Gott selbst uns berührt hat. Wenn er uns berührt, wenn er uns
erfasst, dann hört die Zeit auf, dann ist Ewigkeit.
Die Seele braucht Feste
    F este bringen einen wesentlichen Aspekt unserer Seele zur Sprache. Ein Fest feiert man nur, wenn man
davon leben kann, und indem wir ein Fest feiern, kommt in unserer Seele etwas Wichtiges in Bewegung. Unsere Gefährdungen werden angesprochen, aber
zugleich sind auch Wege aufgezeigt, wie die Gefährdungen überwunden werden können. Feste haben eine heilende Wirkung. Denn wenn wir uns ihrem Rhythmus
überlassen, kommt auch unsere Seele und mit ihr unser Leib in einen gesunden Rhythmus.
    In den vielen Festen des Kirchenjahres wird dies immer wieder unter einem neuen Aspekt angesprochen und ausagiert: Die Adventszeit als Zeit des Wartens
und Sehnens möchte unsere Süchte wieder in Sehnsucht verwandeln. Im Weihnachtsfest geht es um den neuen Anfang. Wir sind nicht festgelegt auf die
Geschichte unserer Verletzungen und Kränkungen. Gott setzt in der Geburt Jesu einen neuen Anfang. Wenn Christus in uns geboren wird, so kommen wir in
Berührung mit dem unverfälschten und unberührten Bild Gottes in uns. Die Fastenzeit ist eine Zeit der inneren Reinigung und Überprüfung. Indem wir uns
bewusst zurück nehmen, indem wir die Nahrung reduzieren und fasten, entdecken wir, wovon wir abhängig geworden sind. Ein Frühjahrsputz der Seele und
eine Entschlackung des Leibes tut uns immer wieder gut. Die Passionszeit gibt uns die Gelegenheit, uns mit unseren Krankheiten und unseren Nöten im
Licht der Passion Jesu anzuschauen. Wir brauchen unsere Krankheit nicht zu verdrängen. Die Passionszeit befreit uns von der Illusion, als ob wir ohne
Krankheit sein könnten. Aber sie zeigt uns einen Weg, unsere Krankheit anders zu sehen. In unserer Krankheit sind wir nicht aus geschlossen vom Leben,
sondern dürfen darin die besondereNähe Jesu erfahren. Ostern als das Fest der Auferstehung will uns ermutigen, aufzustehen aus dem
Grab unserer Ängste und Depressionen und das Leben neu zu wagen. Es ist die Verheißung, dass die Fesseln, die uns gefangen halten, abfallen. An
Pfingsten feiern wir den Geist, der uns heilt und mit neuem Leben erfüllt. Wir müssen nicht alles selbst machen. Gott durchdringt uns mit seinem
befreienden Geist.
    Die Heilung unserer beschädigten

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