Das große Buch der Lebenskunst
heute
für das Leben
Wo Leben ist, ist Glück
W enn du glücklich sein willst – lebe«, so einfach ist Lebenskunst nach Leo Tolstoi.
Und es stimmt: Glück kann man nicht direkt anstreben, genauso wenig wie die Freude. Wer glücklich sein will, soll sich dem Leben mit allen Höhen und
Tiefen zuwenden. Glück ist Ausdruck erfüllten Lebens. Wenn ich mit allen Sinnen lebe, wenn ich mich einlasse auf das Leben, dann werde ich in meiner
Lebendigkeit auch Glück erfahren. Das Glück lässt sich nicht festhalten, genauso wenig wie das Leben. Das Leben fließt immer weiter. Manchmal fließt es
durch finstere Täler, manchmal wird es zum Wasserfall. Auch im Schmerz ist Leben. Und so kann in jedem auch eine Ahnung von Glück sein, im Schmerz, der
mich für den Bruder oder die Schwester öffnet, in der Freude, die ich mit andern teile, in der Anstrengung, die ich auf mich nehme, um einen Gipfel zu
besteigen, in der Entspannung, wenn ich im Meer schwimme.
Überall, wo wirklich Leben ist, ist auch eine Spur von Glück. Doch sowenig ich das Leben von außen betrachten und analysieren kann, sowenig lässt sich
das Glück als etwas Objektives beobachten. Es stellt sich ein bei dem, der lebt, der lebendig ist und der sich mit allen Sinnen auf das Leben
einlässt.
Ganz gelassen
H offnung und Angst können das Wetter nicht ändern.«
Diese Weisheit aus Tibet gilt weltweit. Ich kenne selber die Erfahrung, dass ich mir den Kopf zerbreche, ob wirklich alle zum vereinbarten Termin
rechtzeitig kommen, weil ich sonst mit meinem Zeitplan durcheinander gerate. Oder ich hoffe und bete, dass das Wetter für den geplanten Ausflug gut
wird. Ich schaue dann zum Himmel, ob sich die Wolken verziehen oder dichter werden, so dass mit Regen zu rechnen ist. Ich merke, wie viel Energie solche
Gedanken kosten. Und doch kann ich mit meinen Gedanken weder das Wetter beeinflussen noch die Ankunft der Gesprächspartner bestimmen. Es lohnt sich also
nicht, immer wieder aufzustehen und nach draußen zu sehen, ob die erwarteten Gäste nicht bald kommen. Ich könnte in dieser Zeit viel besser meine Arbeit
erledigen oder einfach nur dasitzen und meditieren. Wenn ich fixiert bin auf das Wetter oder auf den Termin, dann gehört die Zeit nicht mir, sondern
meinen Grübeleien, meinen Hoffnungen und Ängsten. Wenn ich das Wetter nehme, wie es ist, wenn ich innerlich ja sage zu dem, was kommt, dann fühle ich mich
frei. Dann ist es meine Zeit und Gottes Zeit. Ich kann sie genießen. Manchmal gelingt es mir. Dann sage ich einfach: »Da ich das Wetter nicht ändern kann,
lohnt es sich auch nicht, darüber nachzudenken. Da ich die Ankunft des Gastes nicht beeinflussen kann, ist es sinnlos, sich darüber Sorgen zu machen.«
Dann überlasse ich das Wetter und die Ankunft Gott und kann mich ganz gelassen dem zuwenden, was gerade dran ist.
Ein heißes Bad
G ute Taten und heiße Bäder sind das beste Heilmittel bei Depressionen, sagt man. Schon Thomas von Aquin
hat die wohltuende Wirkung von heißen Bädern beschrieben. Wenn jemand traurig ist, so der praktische Rat dieses großen Theologen, dann soll er ein Bad
nehmen. Dahinter steckt wohl eine Urerfahrung: Das Bad ähnelt dem Mutterschoß. Da schwammen wir auch in warmem Wasser, fühlten uns geborgen, schwerelos,
geschützt und getragen. Im Bad kommen wir in Berührung mit dieser Erfahrung von Geborgenheit des mütterlichen Schoßes. Das vertreibt unsere
Traurigkeit.
Dass die Wirkung der guten Taten der von heißen Bädern gleichgesetzt wird, mag manchen vielleicht verwundern. Das Bad schenkt Geborgenheit. Die gute
Tat führt mich dagegen in die Welt hinaus. Sie fordert mich heraus, von mir und meiner Stimmung Abstand zu nehmen und das zu tun, was gerade ansteht und
nottut, was der Mensch neben mir braucht. Gute Taten befreien mich vom narzisstischen Kreisen um mich selbst. Und das tut der Seele gut. Wenn ich durch
gute Taten lebendig werde, dann verzieht sich meine Depression. Denn Depression ist Mangel an Leben. In der Depression stehe ich neben mir, da spüre ich
mich nicht. Wenn ich etwas Gutes tue, kann ich mich am Erfolg freuen. Es ist mir etwas gelungen. Und wenn der andere sich über meine gute Tat freut, dann
wird meine Freude doppelt.
Fröhliches Herz
E in fröhlich Herz tut auch dem Körper gut«, sagt die Bibel (Sprüche 17,22). Das stimmt – und doch: Es
hilft dem traurigen Menschen nicht, wenn ich ihm sage: Freue dich doch. Ich kann einem Menschen
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