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Das große Buch der Lebenskunst

Titel: Das große Buch der Lebenskunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Grün
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Rebhuhn.« Wer sich den Kopf zerbricht, ob das Rebhuhn nicht zu teuer wäre, der kann es nicht mehr genießen. Und wer nichts mehr genießen kann, für den hat
     die Askese keinen Sinn. Die Askese macht aus ihm nur einen Griesgram, einen Lebensverneiner, einen in sich unzufriedenen Menschen, der sich nicht mehr
     freuen kann. Wirkliches Genießen verlangt allerdings Askese. Denn wer alles in sich hineinschlingt, der ist unfähig, das, was er isst, auch wirklich zu
     genießen. Genießen wird nur der, der auch verzichten kann, der ein Gespür dafür hat, wann es Zeit ist, aufzuhören mit dem Essen und Trinken.
Übung der Sorglosigkeit
    D ie alten Mönchsvater sind Meister der asketischen Übung. Zu ihrer Übung gehören aber nicht nur Haltungen
     wie Demut oder Schweigen, sondern auch eine Haltung wie Sorglosigkeit. Der Mönchsvater übt Sorglosigkeit, indem er sich immer wieder vorsagt: »Ich habe
     keine Sorge.« Er muss sich dieses Wort offensichtlich immer einsagen, da in seinem Herzen Gedanken der Sorge auftauchen. Kein Mensch ist wohl ohne
     Sorge. Ja, Martin Heidegger meinte, die Sorge sei das Grundexistential des Menschen. Der Mensch sei wesentlich einer, der sich sorgt. Doch indem ich mir
     in diese Sorge das Wort hineinhalte »Ich habe keine Sorge«, kann sich das Gefühl wandeln und in mir das Vertrauen auf Gottes Nähe wachsen. Hier wird also
     ein Weg angegeben, sich in das Vertrauen Gottes einzuüben. Ich rede mir nicht künstlich etwas ein, ich manipuliere mein Denken nicht. Ich rechne vielmehr
     damit, dass ich Sorgen habe. Aber ich versuche, die biblische Botschaft vom Vertrauen auf den Gott, der für uns sorgt, konkret einzuüben, indem ich es mir
     immer wieder sage: »Ich habe keine Sorge.«
    Was heute viele Psychologen beschreiben, dass man sich positive Worte, dass man sich Vertrauenssätze zuspricht (etwa im Autogenen Training), das haben
     die Mönche schon immer geübt. Wir könnten uns daran heute wieder erinnern.
Versuchungen
    D ie alten Mönche verteufeln die Versuchungen nicht, im Gegenteil: Sie sehen sie durchaus positiv. Einer
     der Väter drückt es so aus: »Wenn der Baum nicht von den Winden geschüttelt wird, wächst er nicht und trägt keine Wurzeln. So ist es auch mit dem Mönch:
     Wenn er nicht versucht wird und die Versuchung nicht erträgt, wird er kein Mann«.
    Es ist wie in der Geschichte von der Palme: Ein böser Mann ärgerte sich über eine junge schöne Palme. Um ihr zu schaden, legte er ihr einen großen
     Stein in die Krone. Doch als er nach Jahren vorbeikommt, ist die Palme größer und schöner geworden als alle anderen rings herum. Der Stein zwang sie, ihre
     Wurzeln tiefer in die Erde zu graben. Und so konnte sie auch höher emporwachsen. Der Stein wurde zur Herausforderung für sie. So sind auch die
     Versuchungen eine Herausforderung für den Mönch. Sie zwingen ihn, seine Wurzeln tiefer in Gott hineinzutreiben, sein Vertrauen immer mehr auf Gott zu
     setzen. Denn sie zeigen ihm, dass er aus eigener Kraft nicht mit den Versuchungen fertig wird. Die ständige Auseinandersetzung macht ihn innerlich stärker
     und lässt ihn zum Mann reifen.
    Auch für uns heute ist die Frage, welcher Wert ist uns wichtiger: Korrektheit oder Lebendigsein? Wem es vor allem darauf ankommt, korrekt zu sein, der
     wird vor lauter Angst vor etwaigen Fehlern am Leben vorbeigehen. Sein Leben wird verkümmern. Er wird zwar korrekt sein, aber nicht lebendig und weit. Das
     Rechnen mit der Versuchung, die Gewissheit, dass die Versuchung zu uns gehört, macht uns menschlicher, oder wie die Mönche sagen: demütiger. Es zeigt uns,
     dass wir immer angefochten sind, dass wir nie sagen können, über allen Versuchungen zu stehen, dass etwa Hass und Eifersucht, dass Ehebruch für uns kein
     Problemwären. Wer behauptet, dass er nie seine Frau oder seine Freundin betrügen würde, der ist seinem Herzen noch nicht begegnet. Das
     Rechnen mit der Versuchung macht uns wachsam.
Lass gut sein
    S o gut es manchmal sein kann, sich mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen, um sie zu verarbeiten und um
     sie als Wurzel für die Gegenwart zu erspüren, so wenig hilft es uns weiter, wenn wir ständig in die Vergangenheit schauen und uns nach Vergangenem
     zurücksehnen. Für den Mönchsvater Evagrius ist es vor allem gefährlich, vor der gegenwärtigen Wirklichkeit in die Vergangenheit zu fliehen, die endgültig
     vorbei ist und nie mehr wirklich werden wird. Aus der Vergangenheit können wir durchaus vieles

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