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Das große Buch der Lebenskunst

Titel: Das große Buch der Lebenskunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Grün
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tiefe Abgrund, der gleiche unendliche Durst nach Glück und Freude und Besitz ohne Ende.« Jeder Mensch, so meint
     Ernesto Cardenal sehnt sich letztlich nach einer bedingungslosen Liebe, nach einer Liebe, die ihm das Leben erst lebenswert macht und die ihm vermittelt,
     dass er einzigartig und wertvoll ist. »Die Sehnsucht ist der Anfang von allem«, sagt Nelly Sachs. Mit der Sehnsucht beginnt der Mensch seinen Weg der
     Selbstwerdung.Ohne Sehnsucht wäre er nicht Mensch. Ohne Sehnsucht erstarrt er und verliert seine Lebendigkeit.
    Rainer Maria Rilke hat in einem Gedicht seiner Vorstellung Ausdruck gegeben, dass Gott jedem Menschen, bevor er ihn in die Nacht dieser Welt
     hinausschickt, ein Wort mit auf den Weg gibt. Und dieses Wort lautet:
    »Von deinen Sinnen hinausgesandt,
    geh bis an deiner Sehnsucht Rand;
    gib mir Gewand.«
    Dem Menschen ist die Sehnsucht ins Herz gesenkt. Sie treibt ihn hinaus in diese Welt, um ihre Schönheit zu entdecken und in ihrer Schönheit und hinter
     allen Dingen Gott selbst zu suchen. Ein Weg, bis an unserer Sehnsucht Rand zu gehen, ist die Musik. Die wunderbare Musik von Schubert geht bis an den Rand
     der Sehnsucht. Sie lässt die Sehnsucht hörbar werden. Und nur wenn die Sehnsucht Ausdruck findet, ist sie heilsam. Wenn wir unsere Sehnsucht nicht hörbar
     oder sichtbar werden lassen, dann flüchtet sie sich in die Sucht.
    In einem anderen Gedicht definiert Rilke die Sehnsucht:
    »Das ist die Sehnsucht: wohnen im Gewoge
    und keine Heimat haben in der Zeit.«
    Die Sehnsucht besteht darin, dass wir mitten im Trubel dieser Zeit leben, dass wir mitten im Gewoge unserer unruhigen Lebensfahrt wohnen. Wie kann das
     gelingen: mitten im Gewoge wohnen. Die Sehnsucht ist wie eine Heimat mitten im Gewoge. Wenn wir der Musik lauschen, können wir erahnen, dass wir jetzt
     mitten im Gewoge unseres Lebens, mitten in unseren Konflikten, in unseren Enttäuschungen in unserer Sehnsucht wohnen können.
    Martin Heidegger sagte einmal: »Schauen führt in die Freiheit, Hören in die Geborgenheit.« Durch die Musik entsteht ein Raum der Geborgenheit, in dem
     wir wohnen können. Wer soin seiner Sehnsucht wohnt, der spürt, dass die Sehnsucht sein Herz weit macht, dass er eine neue Form von
     Lebendigkeit in sich entdeckt. Aber gleich nach dem schönen Wort vom Wohnen im Gewoge sagt Rilke, dass wir in der Zeit keine Heimat haben. In der Zeit
     können wir uns nicht einrichten. Wir können die Zeit nicht anhalten. Sie verweist uns auf eine jenseitige Heimat, auf eine Heimat, die erst dann entsteht,
     wenn hier Himmel und Erde zusammenfallen, Zeit und Ewigkeit.
Das letzte Ziel
    W enn wir mit allen Kräften nach Reichtum aus sind, so wird der Besitz unsere Sehnsucht nicht erfüllen. In
     der Suche nach Reichtum steckt die Sehnsucht nach Ruhe, dass wir endlich zur Ruhe kommen können. Aber das Fatale ist, dass der Besitz uns besessen macht,
     dass er uns noch mehr in die Unruhe treibt. Wenn wir nach Erfolg streben, so steckt dahinter letztlich die Sehnsucht, wertvoll zu sein. Aber wir wissen
     zugleich, dass kein Erfolg unsere Sehnsucht ganz zu stillen vermag.
    Wir erfahren unseren letzten Wert erst in Gott. Jeder Mensch sehnt sich im Grunde danach, geliebt zu werden und selber zu lieben. Wir brauchen nur in
     der Zeitung zu lesen, um zu entdecken, wie viele solcher Sehnsüchte unbefriedigt bleiben oder in Einsamkeit und Verzweiflung enden. Aber dennoch steckt in
     jeder kleinen Liebe, auch in der ganz und gar sexuellen Liebe eine Sehnsucht nach absoluter Liebe, die Sehnsucht nach Gott. Augustinus hat gesagt:
     »Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir, mein Gott.« Der Mensch ist erfüllt von einem unstillbaren Hunger nach absoluter Heimat, nach
     Geborgenheit, nach dem verlorenen Paradies, auch wenn nach außen hin das menschliche Verlangen auf andere Ziele geht. Selbst bei Menschen, die sich von
     Gott abgewandt haben, pocht eine Sehnsucht nach mehr, nach dem ganz anderen, nach dem, der allein genügt. Wenn wir unsere Wünsche und Sehnsüchte zu Ende
     denken, werden wir letztlich immer auf diese Sehnsucht stoßen.
Was die Welt übersteigt
    W ie können wir mit unserer Sehnsucht in Berührung kommen? Der eine Weg geht darüber, unser Leben
     anzuschauen und hinter allem die Sehnsucht zu entdecken, die in unseren Begierden, Süchten, Leidenschaften, Bedürfnissen, Wünschen, Hoffnungen
     steckt. Alles, was wir erleben, zu Ende zu denken, ihm auf den Grund zu gehen. Der andere Weg ist ein

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