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Das große Buch der Lebenskunst

Titel: Das große Buch der Lebenskunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Grün
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Jahrhunderts. Die Probleme der Jugendlichen seiner Zeit waren sicher andere als die der Gegenwart. Trotzdem
     ist er ein bleibendes Vorbild darin, wie er jungen Menschen begegnete. Sein soziales Gewissen, seine Einfühlungskraft in andere, vor allem auch seine
     optimistische Lebenseinstellung hat die jungen Menschen angezogen. Dieser Seelsorger setzte als Erzieher auch schwieriger junger Menschen nicht auf
     Zwangsmittel oder Strafen. Er setzte auf Liebe und Vertrauen. Er hat das Wort Jesu von der Sorglosigkeit verstanden. Jesus verweist auf das Vertrauen der
     Vögel. Sie singen einfach und vertrauen darauf, dass Gott sie nährt. Daraus formuliert Don Bosco seinen Rat: »Machs wie der Vogel, der nicht aufhört zu
     singen, auch wenn der Ast bricht. Denn er weiß, dass er Flügel hat.« Realismus und Bodenhaftung sind wichtig. Aber manchmal bräuchten wir auch etwas von
     der Leichtigkeit des Vogels. Er singt, auch wenn der Ast, auf dem er sitzt, bricht. Wie der Vogel, so hat auch unsere Seele Flügel. Sie kann uns über die
     alltäglichen Probleme hinweghelfen. Sie beflügelt uns und hilft so, alles von einer anderen Warte aus zu betrachten. Dann relativieren sich unsere Sorgen
     und Ängste. Mitten in unserer Angst, dass der Boden, auf dem wir stehen, schwankt, erheben wir uns mit unserer Seele zum Himmel. Dort kann uns die Angst
     nicht mehr erreichen. Der Rat zur Gelassenheit, der zu einem geflügelten Wort geworden ist, stammt ebenfalls von Don Bosco: »Fröhlich sein und die Spatzen
     pfeifen lassen!«
Das gibt sich
    J ohann Wolfgang von Goethe spricht in einem kleinen Gedicht eine Erfahrung an, die sehr leicht daherkommt
     und doch das Schwere nicht ausschließt:
    »Lass nur die Sorge sein,
    Das gibt sich alles schon!
    Und fällt der Himmel ein,
    Kommt doch eine Lerche davon.«
    Goethe hat die Sorglosigkeit der Vögel als Bild für unser Leben verstanden und in ihnen die Fähigkeit symbolisiert, sich über die Dinge zu erheben, die
     uns Angst machen und bedrohen. War es bei Don Bosco der Ast, der unter uns abbrechen kann, so ist es für Goethe der Himmel, der über uns einfallen
     kann. Der Vogel hat weder den Ast nötig, auf dem er sitzt, noch den Himmel, der über ihm zusammenbrechen kann. Er ist frei. Er fliegt dorthin, wo er Raum
     hat. Selbst wenn das Lebensgebäude, das wir mühsam errichtet haben, einstürzt und zusammenkracht, die Seele ist an diese Äußerlichkeiten nicht
     gebunden. Sie ist wie ein Vogel, die all dem entkommen kann.
Keine leichte Kunst
    M a nchmal erlebe ich Menschen, die sich an sich selbst festhalten. Sie meinen, alles loslassen zu
     können. Aber ihre herabhängenden Schultern zeigen, dass dem nicht so ist: Sie sind innerlich gefangen. Oft braucht es lange, bis sie wirklich loslassen
     können. Loslassen ist eine befreiende Kunst. Denn das Festhalten bindet und blockiert uns. »Ich muss loslassen, woran ich mich geklammert hatte. Solange
     ich diese Tatsache als Verlust für mich auffasste, war ich unglücklich. Aber sobald ich sie unter dem Aspekt betrachtete, dass Leben im Loslassen und im
     Tod befreit wird, kam ein tiefer Friede über meinen Geist.« Rabindranath Tagore, der diese Einsicht formuliert hat, weiß: Wenn wir uns zu sehr an etwas
     klammern, werden wir handlungsunfähig. Wenn wir zu gierig etwas haben wollen, sind wir gefangen. Uns sind die Hände gebunden. Loslassen hingegen ist ein
     Akt der inneren Befreiung.
    Loslassen kann tatsächlich manchmal ganz schön schwierig sein, und Gelassenheit ist eine Kunst, die keinem in den Schoß fällt. Eine Kunst muss man
     erlernen. Das ist oft – und keineswegs nur für junge Menschen – nicht ganz einfach. Es klingt etwas eigenartig, dass man für die Gelassenheit etwas tun
     sollte. Es doch kein Tun, sondern ein Lassen. Aber gerade das Lassen im Tun zu üben, ist die eigentliche Kunst. Ich wünsche gerade den Menschen, die viel
     zu tun haben, diese Kunst. Sie besteht darin, etwas einfach geschehen zu lassen. Was wir verbissen tun, wird keinen Segen bringen. Was in Gelassenheit
     geschieht, das lässt der, für den es geschieht, auch lieber in sich ein. Er wird sich daran nicht verbeißen, sondern das Gelassene auf seiner Zunge
     zergehen lassen. Und sich daran erfreuen.
Das Gegenprogramm
    Z u m Loslassen gehört auch, sich von seinen eigenen Größenphantasien zu befreien. Viele Menschen sind
     todunglücklich, weil sie an ihren Illusionen von sich selbst festhalten. Sie halten an dem Wunschbild fest, wichtig zu

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