Das große Heft
stimmt. Auch der Alte. Ihn habe ich schon verhört.
Wir sagen:
- Jeder kann eine Patrone in einem Haufen Holz verstecken.
- Ja, aber nicht jeder kann Patronen haben. Ich pfeife auf eure Magd! Was ich wissen will, wo sind die Patronen? Wo sind die Handgranaten? Wo ist das Gewehr? Der Alte hat alles gestanden. Ich habe ihn so gut verhört, daß er alles gestanden hat. Aber er konnte mir nicht zeigen, wo die Patronen, die Handgranaten, das Gewehr sind. Nicht er ist der Täter. Sondern ihr! Ihr wißt, wo die Patronen, die Handgranaten, das Gewehr sind. Ihr wißt es, und ihr werdet es mir sagen!
Wir antworten nicht. Der Polizist schlägt zu. Mit beiden Händen. Rechts und links. Wir bluten aus der Nase und aus dem Mund.
- Gesteht!
Wir schweigen. Er wird ganz weiß, er schlägt und schlägt. Wir fallen von unsern Stühlen. Er tritt uns in die Rippen, in die Nieren, in den Magen.
- Gesteht! Gesteht! Ihr wart es! Gesteht!
Wir können die Augen nicht mehr öffnen. Wir hören nichts mehr. Unser Körper ist voller Schweiß, Blut, Urin, Exkrementen. Wir verlieren das Bewußtsein.
Im Gefängnis
Wir liegen in einer Zelle auf dem Boden aus gestampfter Erde. Durch ein kleines Fenster mit Eisengittern dringt ein wenig Licht. Aber wir wissen nicht, wie spät es ist, nicht einmal, ob es Vormittag oder Nachmittag ist. Überall tut es uns weh. Bei der allerkleinsten Bewegung fallen wir wieder halb in Ohnmacht. Unser Blick ist verschleiert, unsere Ohren dröhnen, unser Kopf brummt. Wir haben schrecklichen Durst. Unser Mund ist ganz trocken.
Stunden vergehen so. Wir sprechen nicht. Später kommt der Polizist herein, er fragt uns:
- Braucht ihr was?
Wir sagen:
- Zu trinken.
- Sprecht. Gesteht. Und ihr bekommt zu trinken, zu essen, alles, was ihr wollt.
Wir antworten nicht. Er fragt:
- Großvater, wollen Sie was essen?
Niemand antwortet ihm. Er geht hinaus.
Wir merken, daß wir nicht allein in der Zelle sind. Behutsam heben wir ein wenig den Kopf, und wir sehen einen alten Mann zusammengekrümmt in einer Ecke liegen. Langsam kriechen wir zu ihm, wir berühren ihn. Er ist steif und kalt. Wir kriechen wieder zu unserem Platz an der Tür zurück.
Es ist schon dunkel, als der Polizist mit einer Taschenlampe wiederkommt. Er leuchtet den Alten an, er sagt zu ihm:
- Schlafen Sie gut. Morgen früh können Sie nach Hause gehen.
Er leuchtet auch uns mitten ins Gesicht, einem nach dem andern:
- Immer noch nichts zu sagen? Mir ist es egal. Ich habe Zeit. Ihr werdet sprechen oder hier krepieren.
Später in der Nacht geht die Tür von neuem auf. Der Polizist, der Adjutant und der fremde Offizier treten ein. Der Offizier beugt sich über uns. Er sagt zum Adjutanten:
- Rufen Sie den Stützpunkt an wegen eines Krankenwagens!
Der Adjutant geht weg. Der Offizier untersucht den alten Mann. Er sagt:
- Er hat ihn totgeschlagen!
Er dreht sich zu dem Polizisten um:
- Das wirst du teuer bezahlen, Laus! Und wie du das bezahlen wirst!
Der Polizist fragt uns:
- Was sagt er?
- Er sagt, daß der Alte tot ist und daß Sie es teuer bezahlen werden, Laus! Der Offizier streichelt unsere Stirn:
- Meine Kleinen, meine kleinen Jungen. Er hat gewagt, euch weh zu tun, dieses gemeine Schwein!
Der Polizist sagt:
- Was wird er mit mir machen? Sagt ihm, ich habe Kinder... Ich wußte nicht... Ist er euer Vater, oder was?
Wir sagen:
- Unser Onkel.
- Ihr hättet es mir sagen sollen. Ich konnte es nicht wissen. Ich bitte euch um Verzeihung. Was kann ich tun, um...
Wir sagen:
- Beten Sie zu Gott.
Der Adjutant kommt mit zwei anderen Soldaten. Man legt uns auf Bahren und trägt uns in den Krankenwagen. Der Offizier setzt sich neben uns. Der Polizist, von meh reren Soldaten begleitet, wird in den Jeep gebracht, den der Adjutant steuert.
Im Militärstützpunkt untersucht uns der Arzt sofort in einem großen weißen Saal. Er desinfiziert unsere Wunden, er gibt uns Spritzen gegen die Schmerzen und gegen Tetanus. Er röntgt uns auch. Wir haben nichts gebrochen, außer ein paar Zähnen, aber es sind Milchzähne. Der Adjutant bringt uns zu Großmutter zurück. Er legt uns in das große Bett des Offiziers und legt sich auf eine Decke neben das Bett. Am Morgen holt er Großmutter, die uns heiße Milch ans Bett bringt.
Als der Adjutant gegangen ist, fragt uns Großmutter:
- Habt ihr gestanden?
- Nein, Großmutter. Wir hatten nichts zu gestehen.
- Das dachte ich mir. Und der Polizist, was ist aus ihm geworden?
- Das wissen wir nicht. Aber er kommt bestimmt
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