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Das große Heft

Das große Heft

Titel: Das große Heft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agota Kristof
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Haare bedecken sie bis zu den Hinterbacken. Manchmal dreht sie sich auf den Rücken und verbirgt ihre Brust mit den Haaren.
    Gegen Abend geht sie in die Stadt. Sie bleibt immer länger in der Stadt. Eines Abends folgen wir ihr, ohne daß sie es merkt.
    Am Friedhof trifft sie eine Gruppe von Jungen und Mädchen, die alle größer sind als wir. Sie sitzen unter den Bäumen, sie rauchen. Sie haben auch Weinflaschen. Sie trinken aus der Flasche. Einer von ihnen hält Wache am Rand des Wegs. Wenn jemand kommt, singt der Aufpasser ein bekanntes Lied, wobei er ruhig sitzen bleibt. Die Gruppe zerstreut sich und versteckt sich in den Büschen oder hinter den Grabsteinen. Wenn die Gefahr vorüber ist, pfeift der Aufpasser ein anderes Lied.
    Die Gruppe spricht leise vom Krieg und auch von Desertionen, Deportationen, Widerstand, Befreiung. Ihrer Meinung nach sind die fremden Militärs, die in unserm Land sind und behaupten, unsere Verbündeten zu sein, in Wahrheit unsere Feinde und diejenigen, die bald kommen und den Krieg gewinnen werden, sind keine Feinde, sondern im Gegenteil unsere Befreier. Sie sagen:
    - Mein Vater ist auf die andere Seite gegangen. Er wird mit ihnen zurückkommen.
    - Mein Vater ist gleich nach der Kriegserklärung desertiert.
    - Meine Eltern haben sich den Partisanen angeschlossen. Ich war zu jung, um mit ihnen zu gehen.
    - Meine sind von diesen Schweinen mitgenommen worden. Deportiert.
    - Du wirst deine Eltern nie wiedersehen. Und ich auch nicht. Sie sind jetzt alle tot.
    - Das ist nicht sicher. Es wird Überlebende geben. 
    - Und die Toten werden wir rächen.
    - Wir waren zu jung. Schade. Wir konnten nichts tun. 
    - Es ist bald vorbei. »Sie« können jeden Tag kommen. 
    - Wir werden sie auf dem Großen Platz mit Blumen empfangen.
    Spät in der Nacht zerstreut sich die Gruppe. Jeder geht nach Hause.
    Unsere Kusine geht mit einem Jungen weg. Wir folgen ihnen. Sie biegen in die kleinen Gassen des Schlosses ein, verschwinden hinter einer verfallenen Mauer. Wir sehen sie nicht, aber wir hören sie. Unsere Kusine sagt:
    - Leg dich auf mich. Ja, so. Küß mich. Küß mich. 
    Der Junge sagt:
    - Wie schön du bist! Ich begehre dich.
    - Ich auch. Aber ich habe Angst. Was ist, wenn ich schwanger bin?
    - Ich werde dich heiraten. Ich liebe dich. Wir heiraten nach der Befreiung.
    - Wir sind zu jung. Wir müssen warten. 
    - Ich kann nicht warten.
    - Hör auf! Du tust mir weh. Wir dürfen nicht, wir dürfen nicht, Liebster.
Der Junge sagt:
    - Ja, du hast recht. Aber streichle mich. Gib deine Hand. Streichle mich da, ja, so. Dreh dich um. Ich möchte dich da küssen, da, während du mich streichelst. 
    Unsere Kusine sagt:
    - Nein, tu das nicht. Ich schäme mich. Oh! Mach weiter, mach weiter! Ich liebe dich, ich liebe dich so sehr. Wir gehen nach Hause.

Der Segen
    Wir müssen noch mal ins Pfarrhaus gehen, um die Bücher zurückzubringen, die wir ausgeliehen haben. Wieder macht uns eine alte Frau die Tür auf. Sie läßt uns herein, sie sagt: 
    - Der Herr Pfarrer erwartet euch. 
    Der Pfarrer sagt: 
    - Setzt euch.
    Wir legen die Bücher auf seinen Schreibtisch. Wir setzen uns.
    Der Pfarrer sieht uns einen Augenblick an, dann sagt er:
    - Ich habe auf euch gewartet. Schon lange seid ihr nicht mehr gekommen.
Wir sagen:
- Wir wollten die Bücher auslesen. Und wir sind sehr beschäftigt.
- Und euer Bad?
- Wir haben jetzt alles, was wir brauchen, um uns zu waschen. Wir haben eine Wanne gekauft, Seife, eine Schere, Zahnbürsten.
- Womit? Mit welchem Geld?
    - Mit dem Geld, das wir verdienen, wenn wir in den Kneipen Musik machen.
    - Kneipen sind ein Ort der Verderbnis. Besonders in eurem Alter.
Wir antworten nicht. Er sagt:
    - Ihr seid auch nicht mehr wegen des Geldes für die Blinde gekommen. Jetzt ist eine beträchtliche Summe beisammen. Nehmt es. 
    Er reicht uns das Geld. Wir sagen:
    - Behalten Sie es. Sie haben genug gegeben. Wir haben Ihr Geld genommen, als es unbedingt notwendig war. Jetzt verdienen wir genügend Geld, um Hasenscharte welches zu geben. Wir haben ihr auch beigebracht, wie man arbeitet. Wir haben ihr geholfen, die Erde ihres Gartens umzugraben und dort Kartoffeln, Bohnen, Kürbisse, Tomaten zu pflanzen. Wir haben ihr Küken und Kaninchen zum Aufziehen gegeben. Sie kümmert sich um ihren Garten und um ihre Tiere. Sie bettelt nicht mehr. Sie braucht Ihr Geld nicht mehr. 
    Der Pfarrer sagt:
    - Dann nehmt dieses Geld für euch selbst. Dann braucht ihr nicht mehr in den Kneipen zu arbeiten. 
    - Wir

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