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Das große Heft

Das große Heft

Titel: Das große Heft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agota Kristof
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hier?
Großmutter sagt:
    - Ein Zimmer, das ich an einen fremden Offizier vermiete. Ich habe den Schlüssel nicht dazu.
    Der Polizist schaut die Tür der Dachkammer an:
- Haben Sie eine Leiter?
Großmutter sagt:
- Sie ist kaputt.
- Wie steigen Sie rauf?
- Ich steige nicht rauf. Nur die Kleinen steigen rauf.
Der Polizist sagt:
- Dann mal los, ihr Kleinen.
    Wir klettern mit Hilfe des Seils in die Dachkammer. Der Polizist öffnet die Truhe, in der wir das für unsere Studien Nötige aufbewahren: Bibel, Wörterbuch, Papier, Bleistifte und das Große Heft, in dem alles geschrieben steht. Aber der Polizist ist nicht zum Lesen gekommen. Er inspiziert noch den Haufen alter Kleider und Decken, und wir steigen wieder hinunter. Unten schaut der Polizist sich um und sagt:
    - Natürlich kann ich nicht den ganzen Garten umgraben. Gut. Kommt mit.
    Er führt uns in den Wald, zum Rand des großen Lochs, wo wir eine Leiche gefunden hatten. Die Leiche ist nicht mehr da. Der Polizist fragt: 
    - Seid ihr schon mal hier gewesen?
    - Nein. Nie. Wir hätten Angst, so weit zu gehen.
- Ihr habt dieses Loch nie gesehen, auch keinen toten Soldaten?
    - Nein, nie.
    - Als man den toten Soldaten gefunden hat, fehlten ihm sein Gewehr, seine Patronen, seine Handgranaten. 
    Wir sagen:
    - Er war wohl ziemlich zerstreut und nachlässig, dieser Soldat, wenn er alle diese Dinge verloren hat, die für einen Militär unerläßlich sind.
Der Polizist sagt:
    - Er hat sie nicht verloren. Sie sind ihm nach seinem Tod gestohlen worden. Ihr kommt doch oft in den Wald, habt ihr vielleicht eine Ahnung davon? 
    - Nein. Keine Ahnung.
    - Trotzdem muß jemand das Gewehr, die Patronen, die Handgranaten weggenommen haben. 
    Wir sagen:
    - Wer würde es wagen, so gefährliche Sachen anzufassen?

Das Verhör
    Wir sind im Büro des Polizisten. Er setzt sich an einen Tisch, wir bleiben ihm gegenüber stehen. Er legt Papier und Bleistift zurecht. Er raucht. Er stellt uns Fragen: 
    - Seit wann kennt ihr die Magd des Pfarrers? 
    - Seit dem Frühjahr. 
    - Wo habt ihr sie kennengelernt?
    - Bei Großmutter. Sie ist gekommen, um Kartoffeln zu holen.
    - Ihr liefert Holz ins Pfarrhaus. Wieviel bekommt ihr dafür bezahlt?
    - Nichts. Wir bringen Holz ins Pfarrhaus, um der Magd zu danken, die unsere Wäsche wäscht. 
    - Ist sie nett zu euch?
    - Sehr nett. Sie macht uns Butterbrote, sie schneidet uns die Nägel und die Haare, sie richtet uns Bäder her. 
    - Wie eine Mutter also. Und ist der Herr Pfarrer nett zu euch?
    - Sehr nett. Er leiht uns Bücher und bringt uns viele Dinge bei.
    - Wann habt ihr das letztemal Holz ins Pfarrhaus gebracht?
    - Vor fünf Tagen. Dienstag vormittag.
    Der Polizist geht im Zimmer herum. Er schließt die Vorhänge und macht die Schreibtischlampe an. Er nimmt
zwei Stühle und läßt uns hinsetzen. Er richtet das Licht der Lampe auf unser Gesicht:
- Ihr mochtet die Magd sehr?
- Ja, sehr.
- Wißt ihr, was ihr passiert ist?
- Ist ihr etwas passiert?
    - Ja. Etwas Furchtbares. Heute morgen hat sie wie gewöhnlich Feuer gemacht, und der Herd in der Küche ist explodiert. Sie hat alles direkt ins Gesicht bekommen. Sie ist im Krankenhaus.
    Der Polizist hört auf zu sprechen, - wir sagen nichts. Er sagt:
- Ihr sagt nichts?
Wir sagen:
    - Eine Explosion mitten ins Gesicht, das führt notgedrungen ins Krankenhaus und manchmal ins Leichenhaus. Ein Glück, daß sie nicht tot ist.
    - Sie ist für ihr ganzes Leben entstellt!
    Wir schweigen. Der Polizist auch. Er schaut uns an. Wir schauen ihn an. Er sagt:
    - Ihr seht nicht besonders traurig aus.
    - Wir freuen uns, daß sie am Leben ist. Nach einem solchen Unfall!
    - Es war kein Unfall. Jemand hat Sprengstoff im Brennholz versteckt. Eine Patrone aus einem Militärgewehr.
Man hat die Hülse gefunden.
Wir fragen:
    - Warum sollte das jemand getan haben?
    - Um sie zu töten. Sie oder den Herrn Pfarrer. 
    Wir sagen:
    - Die Leute sind grausam. Sie töten gern. Der Krieg hat ihnen das beigebracht. Und überall liegt Sprengstoff
herum.
Der Polizist beginnt zu schreien:
    - Spielt hier nicht die Schlaumeier. Ihr habt Holz ins Pfarrhaus geliefert! Ihr treibt euch den ganzen Tag im Wald nun! Ihr plündert Leichen aus! Ihr seid zu allem fähig! Ihr habt das im Blut! Auch eure Großmutter hat einen Mord auf dem Gewissen. Sie hat ihren Mann vergiftet. Bei ihr ist es Gift, bei euch Sprengstoff! Gesteht, kleine Dreckskerle! Gesteht! Ihr seid's gewesen.
    Wir sagen:
    - Nicht nur wir liefern Holz ins Pfarrhaus. 
    Er sagt:
    - Das

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