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Das große Heft

Das große Heft

Titel: Das große Heft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agota Kristof
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nie wieder.
Großmutter feixt:
    - Deportiert oder erschossen, was? Das Schwein! Das feiern wir. Ich werde das Huhn von gestern aufwärmen. Ich habe nichts davon gegessen.
    Mittags stehen wir auf, wir gehen in die Küche, um zu essen.
    Während des Essens sagt Großmutter:
    - Ich frage mich, warum ihr sie töten wolltet. Ihr hattet eure Gründe, vermute ich.

Der alte Herr
    Kurz nach dem Abendessen kommt ein alter Herr mit einem Mädchen, das größer ist als wir.
    Großmutter fragt ihn:
- Was wollen Sie?
    Der alte Herr nennt einen Namen, und Großmutter sagt zu uns:
    - Geht raus. Dreht eine Runde im Garten.
    Wir gehen hinaus. Wir gehen um das Haus herum und setzen uns unter das Küchenfenster. Wir lauschen. Der
alte Herr sagt:
- Haben Sie Mitleid.
Großmutter antwortet:
    - Wie können Sie so was von mir verlangen? Der alte Herr sagt:
    - Sie kannten ihre Eltern. Sie haben sie mir anvertraut, bevor sie deportiert wurden. Sie hatten mir Ihre Adresse
gegeben für den Fall, daß sie bei mir nicht mehr in Sicherheit wäre.
Großmutter fragt:
- Sie wissen, was ich riskiere?
    - Ja, ich weiß es. Aber es geht um ihr Leben.
    - Es ist ein fremder Offizier im Haus.
    - Eben. Niemand wird sie hier suchen. Sie brauchen nur zu sagen, sie sei Ihre Enkelin, die Kusine der beiden Jungen.
    - Alle Welt weiß, daß ich keine andern Enkel habe als diese beiden.
    - Sie können sagen, daß sie aus der Familie Ihres Schwiegersohns kommt.
Großmutter feixt:
    - Den habe ich nie gesehen!
    Nach einem langen Schweigen fährt der alte Herr fort: 
    - Ich bitte Sie nur, das Mädchen einige Monate zu ernähren, bis der Krieg aus ist. 
    - Der Krieg kann noch Jahre dauern.
    - Nein, er dauert nicht mehr sehr lange. 
    Großmutter beginnt zu greinen:
    - Ich bin eine arme alte Frau, die sich totarbeitet. Wie soll ich so viele Münder füttern? 
    Der alte Herr sagt:
    - Hier ist alles Geld, das ihre Eltern besaßen. Und der Familienschmuck. Alles gehört Ihnen, wenn Sie sie retten.
Kurz danach ruft uns Großmutter.
- Das ist eure Kusine.
Wir sagen:
- Ja, Großmutter.
Der alte Herr sagt:
- Ihr werdet zusammen spielen, alle drei, ja?
Wir sagen:
- Wir spielen nie.
Er fragt:
- Was macht ihr dann?
    - Wir arbeiten, wir lernen, wir machen Übungen. 
    Er sagt:
    - Ich verstehe. Ihr seid ernste Männer. Ihr habt keine Zeit zu spielen. Ihr werdet auf eure Kusine aufpassen, nicht wahr?
    - Ja, mein Herr. Wir werden auf sie aufpassen.
- Ich danke euch.
Unsere Kusine sagt:
- Ich bin größer als ihr.
Wir antworten:
- Aber wir sind zu zweit.
Der alte Herr sagt:
    - Ihr habt recht. Zu zweit ist man viel stärker. Und vergeßt nicht, sie »Kusine« zu nennen, nicht wahr? 
    - Nein, mein Herr. Wir vergessen nie etwas. 
    - Ich vertraue euch.

Unsere Kusine
    Unsere Kusine ist fünf Jahre älter als wir. Ihre Augen sind schwarz. Ihre Haare sind rot wegen eines Mittels, das Henna heißt.
    Großmutter sagt uns, daß unsere Kusine die Tochter der Schwester unseres Vaters ist. Wir sagen dasselbe zu den Leuten, die Fragen über unsere Kusine stellen. Wir wissen, daß unser Vater keine Schwester hat. Aber wir wissen auch, daß ohne diese Lüge das Leben unserer Kusine in Gefahr wäre. Und wir haben dem alten Herrn versprochen, auf sie aufzupassen.
    Als der alte Herr weggegangen ist, sagt Großmutter: 
    - Eure Kusine wird mit euch in der Küche schlafen. 
    Wir sagen:
    - Es ist kein Platz mehr in der Küche.
Großmutter sagt:
- Seht zu, wie ihr zurechtkommt.
Unsere Kusine sagt:
    - Ich werde gern auf dem Tisch oder auf dem Boden schlafen, wenn ihr mir eine Decke gebt. 
    Wir sagen:
    - Du kannst auf der Bank schlafen, und du kannst die Decken behalten. Wir werden in der Dachkammer schlafen. Es ist nicht mehr so kalt.
Sie sagt:
- Ich komme mit euch in der Dachkammer schlafen.
- Wir wollen dich nicht. Du darfst nie den Fuß in die Dachkammer setzen.
- Warum?
Wir sagen:
    - Du hast ein Geheimnis. Auch wir haben eines. Wenn du unser Geheimnis nicht achtest, werden wir auch deines nicht achten.
    Sie fragt:
    - Wärt ihr imstand, mich anzuzeigen?
    - Wenn du in die Dachkammer steigst, stirbst du. Ist das klar?
    Sie schaut uns einen Augenblick schweigend an, dann sagt sie:
    - Ich sehe, ihr seid zwei völlig übergeschnappte kleine Dreckskerle. Ich werde nie in eure Scheißdachkammer steigen, das verspreche ich.
    Sie hält ihr Versprechen, sie steigt nie in die Dachkammer. Aber sonst stört sie uns dauernd.
Sie sagt:
- Bringt mir Himbeeren.
Wir sagen:
- Hol dir selber welche im

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