Das große Heft
Tiere.
Großmutters Äpfel
Vom Pfarrhaus rennen wir zum Haus des Schusters. Seine Fensterscheiben sind zerbrochen, - die Tür ist eingetreten. Drinnen ist alles verwüstet. Auf die Wände sind unflätige Wörter geschrieben worden.
Eine alte Frau sitzt auf einer Bank vor dem Nachbarhaus.
Wir fragen sie:
- Ist der Schuster weg?
- Schon lange, der arme Mann.
- Er war nicht unter denen, die heute durch die Stadt gekommen sind?
- Nein, die von heute sind von woanders gekommen. In Viehwagen. Ihn haben sie hier getötet, in seiner Werkstatt, mit seinem eigenen Werkzeug. Seid unbesorgt, Gott sieht alles. Er wird die Seinen erkennen.
Als wir nach Hause kommen, finden wir Großmutter auf dem Rücken, die Beine gespreizt, vor der Gartentür liegen, rings um sie sind Äpfel verstreut.
Großmutter rührt sich nicht. Ihre Stirn blutet.
Wir laufen in die Küche, wir machen ein Tuch naß, wir nehmen Schnaps vom Regal. Wir legen das nasse Tuch auf Großmutters Stirn, wir gießen ihr Schnaps in den Mund. Nach einer Weile öffnet sie die Augen. Sie sagt:
- Noch mehr!
Wir gießen ihr noch mehr Schnaps in den Mund. Sie richtet sich auf den Ellbogen auf, beginnt zu schreien:
- Lest die Äpfel auf! Worauf wartet ihr, lest die Äpfel auf, ihr Hundesöhne!
Wir lesen die Äpfel im Staub der Straße auf. Wir legen sie in ihre Schürze.
Das feuchte Tuch ist Großmutter von der Stirn gefallen.
Das Blut läuft in ihre Augen. Sie wischt es mit einer Ecke ihres Kopftuchs ab.
Wir fragen:
- Haben Sie Schmerzen, Großmutter?
Sie feixt:
- Ein Gewehrkolben wird mich bestimmt nicht umbringen.
- Was ist passiert, Großmutter?
- Nichts. Ich war gerade dabei, Äpfel aufzulesen. Ich bin vor die Tür gegangen, um den Menschenzug zu sehen. Meine Schürze ist mir weggerutscht; die Äpfel sind rausgefallen, sie sind auf die Straße gerollt. Mitten in den Zug. Kein Grund, auf einen draufzuschlagen.
- Wer hat auf Sie drauf geschlagen, Großmutter?
- Wer wohl? Ihr seid doch nicht blöd? Auch auf sie haben sie draufgeschlagen. Sie haben blind drauf losgeschlagen. Trotzdem haben ein paar welche essen können, von meinen Äpfeln!
Wir helfen Großmutter aufstehen. Wir bringen sie ins Haus. Sie fängt an, die Äpfel zu schälen, um Kompott daraus zu machen, aber sie fällt hin, und wir tragen sie auf ihr Bett. Wir ziehen ihr die Schuhe aus. Ihr Kopftuch rutscht herunter; ein völlig kahler Schädel taucht auf. Wir binden ihr das Kopftuch wieder um. Wir bleiben lange an ihrem Bett, wir halten ihre Hände, wir überwachen ihre Atmung.
Der Polizist
Wir frühstücken mit Großmutter. Ein Mann betritt die Küche, ohne anzuklopfen. Er zeigt seinen Polizeiausweis.
Sofort fängt Großmutter an zu schreien:
- Ich will keine Polizei bei mir! Ich habe nichts getan!
Der Polizist sagt:
- Nein, nichts, niemals. Bloß ein bißchen Gift hier und dort.
Großmutter sagt:
- Nichts ist bewiesen worden. Sie können mir nichts anhaben.
Der Polizist sagt:
- Beruhigen Sie sich, Großmutter. Man wird die Toten nicht ausgraben. Man hat schon Mühe, sie zu begraben.
- Was wollen Sie dann?
Der Polizist schaut uns an und sagt:
- Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.
Auch Großmutter schaut uns an und sagt:
- Das hoffe ich doch. Was habt ihr wieder angestellt, Hundesöhne?
Der Polizist fragt:
- Wo wart ihr gestern abend?
Wir antworten:
- Hier.
- Ihr habt euch nicht in den Kneipen rumgetrieben, wie gewöhnlich?
- Nein. Wir sind hiergeblieben, weil Großmutter einen Unfall hatte.
Großmutter sagt sehr schnell:
- Ich bin auf der Kellertreppe hingefallen. Die Stufen sind glitschig, ich bin ausgerutscht. Ich habe mir den Kopf angestoßen. Die Kleinen haben mich hochgebracht, sie haben mich gepflegt. Sie sind die ganze Nacht bei mir geblieben.
Der Polizist sagt:
- Sie haben eine schlimme Beule, ich sehe. In Ihrem Alter muß man vorsichtig sein. Gut. Wir werden das Haus durchsuchen. Kommt alle drei. Wir fangen mit dem Keller an.
Großmutter öffnet die Kellertür; wir steigen hinunter.
Der Polizist räumt alles um, die Säcke, die Kannen, die Körbe, den Kartoffelhaufen.
Großmutter fragt uns leise:
- Was sucht er?
Wir zucken die Achseln.
Nach dem Keller durchsucht der Polizist die Küche. Dann muß Großmutter ihr Zimmer aufschließen. Der Polizist zerwühlt ihr Bett. Es ist nichts im Bett, auch nicht im Strohsack, nur ein bißchen Kleingeld unter dem Kopfkissen.
Vor der Tür zum Zimmer des Offiziers fragt der Polizist:
- Was ist das
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