Das große Heinz Erhardt Buch
Blick auf die heutige Morgenzeitung
und liest eine Schlagzeile so wie diese:
Ein neuer Weltkrieg droht!
Es kommt eine Krise!!!
Kaum hast du das in dich aufgenommen,
schon ist der Kaffee dir hochgekommen!
Das Brötchen bleibt dir im Halse stecken,
und das Ei will nun auch nicht mehr richtig schmecken!
Dein gütiges Vaterlächeln ist jäh erstorben —
kurzum, deine Laune ist gründlich verdorben!
So schleichst du denn, deprimiert und nicht froh,
in dein Büro.
Freitag
Der Wecker v/eckt, wie üblich, um sieben.
Er hat dich recht roh aus dem Bette getrieben.
Du wäschst dich nur flüchtig und nur, wo es wichtig,
und du rasierst dich auch gar nicht so richtig.
Du nimmst am Frühstückstisch Platz in Begleitung
deiner Familie und greifst schon nach der Zeitung!
Du überfliegst die erste Seite — und suchst
dann auf der zweiten Seite und fluchst,
weil auch auf der dritten und vierten nichts steht,
wie es mit der Krise denn weitergeht!
Endlich, auf der letzten Seite, ganz hinten,
ganz klein gedruckt und kaum noch zu finden,
liest du dann eine Notiz so wie diese:
Es kann keine Rede sein von einer Krise!
Auch sonst sind keine Gefahren vorhanden,
wir hatten die Nachricht bloß mißverstanden
und bitten die Leser, die immer geduldigen,
auch diesmal die Falschmeldung zu entschuldigen!
Nur zögernd glätten sich deine Falten–.
Du trinkst den Kaffee, den inzwischen kalten,
dann nimmst du den Löffel und schlägst deinem Ei
fast zärtlich die kalkige Schale entzwei.
Dann greifst du zum Brötchen und schließlich zur Butter —
dasselbe tuen die Kinder, die Mutter —
und allmählich zieht im trauten Verein
nun auch der innere Frieden ein.
Die Familie ist glücklich. Du bist es wie sie —
bis morgen früh (?)…
Abendlied
Die Nacht bedeckt die Dächer,
und in dem Aschenbecher
verlöscht die Zigarette.
Es ruhn fast alle Räder.
Der Tag verging wie jeder,
als Glied in einer Kette.
Ich höre Eulen singen
und sehne mich nach Dingen,
die ich so gerne hätte.
Und von dem vielen Sehnen
bekomme ich das Gähnen–
gut Nacht, ich geh zu Bette.
Nächstenliebe
Die Nächstenliebe leugnet keiner,
doch ist sie oft nur leerer Wahn,
das merkst am besten du in einer
stark überfüllten Straßenbahn.
Du wirst geschoben und mußt schieben,
der Strom der Menge reißt dich mit.
Wie kannst du da den Nächsten lieben,
wenn er dir auf die Füße tritt?!
Depressionen
Vorvorgestern war ich fröhlich,
vorgestern hat sich’s gegeben,
gestern schlug ich Purzelbäume,
heute will ich nicht mehr leben.
Solch ein Zustand ist entsetzlich,
mich und meine Umwelt quäl ich;
doch er dauert nicht sehr lange:
morgen bin ich wieder fröhlich!
Ein Weihnachtslied
Es ist Weihnachten geworden.
Kalter Wind bläst aus dem Norden
und hat Eis und Schnee gebracht.
Doch am Weihnachtsbaum die Kerzen,
die erwärmen unsre Herzen,
und des Kindes Auge lacht.
Und man sieht auf den verschneiten
Straßen weiße Engel schreiten
durch die stille, heil’ge Nacht.
Harte Schicksale
Wer sich mal in die Nesseln setzt,
ist erst erschrocken, dann verletzt,
erhebt sich mühevoll und schreit
nach beßrer Sitzgelegenheit.
Den Nesseln, auch wenn sie schön blühn,
sind weiche Stühle vorzuziehn.
Auf Weichem sitzt man stets apart…
Nicht weich zu sitzen, das ist hart!
Großmamas Lied
Ich sitze da und stricke Strumpf. —
Und unterm Hause ist ein Sumpf.
Drum steht das Haus nach vorn geneigt,
so wie ein Geiger, wenn er geigt.
Ich seh Musik ganz in der Ferne
und höre über mir die Sterne,
das klingt in meinem Kopf so dumpf.
Ich sitze da und stricke Strumpf. —
An einen Pessimisten
Jede Sorge, Freund, vermeide,
jedes Weh sollst du verachten.
Sieh die Lämmer auf der Weide:
sie sind fröhlich vor dem Schlachten.
Ahnst du nicht, wie dumm es wär,
wären sie’s erst hinterher?
Perpetuum mobile
Und der Herbststurm treibt die Blätter,
die ganz welk sind, vor sich her,
und es ist so schlechtes Wetter–
ach, wenn’s doch schon Winter wär!
Und es fallen weiße Flocken,
zwanzig Grad sind es und mehr,
und man friert in seinen Socken–
ach, wenn’s doch schon Frühling wär!
Und der Schnee schmilzt auf den Gassen,
und der Frühling kommt vom Meer,
einsam ist man und verlassen–
ach, wenn’s doch schon Sommer wär!
Und dann wird es schließlich Juli,
und die Arbeit fällt so schwer,
denn man transpiriert wie’n Kuli–
ach, wenn es doch Herbst schon wär!
usw. usw.
Ein Nachruf
Du warst ein Musiker und Dichter,
ein Maler und Kaninchenzüchter;
doch trotzdem war’s dir
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