Das große Hörbe Buch
packte den Hutrand mit beiden Händen und drückte ihn nieder, so fest er konnte.
„Gut so, Zwottel!"
Im nächsten Augenblick fauchte der Wind von der anderen Seite herein. „Aufgepasst, Hörbe!"
Hörbe hatte schon zugepackt. Mochte der Sturm doch zerren und reißen, so viel er wollte - sie ließen sich Hör-bes Hut nicht wegblasen. Auf der einen Seite hielt ihn der Hutzelmann fest, auf der andern Zwottel. Gemeinsam würden sie das schon schaffen!
„Bei dir drüben alles in Ordnung, Zottelschratz?"
Zwottel gab keine Antwort, Zwottel blieb stumm.
„Was ist los mit dir, Zwottel? Sag doch was!"
Zwottel Zottelschratz gab keine Sterbenssilbe von sich, er schniefte und schnaufte bloß ganz entsetzlich.
Hörbe blickte voll Sorge zu ihm hinüber. Im Flackern des nächsten Blitzes wurde ihm klar, warum Zwottel nicht antworten konnte: Der Zottelschratz hatte sich mit den Zähnen im Hutrand festgebissen - zur Sicherheit!
„Ach so - ich verstehe ... Gut so, mein Lieber! Nicht auslassen, hörst du - nicht auslassen."
Jedes Unwetter hört einmal wieder auf, jedes Gewitter verzieht sich am Ende wieder. Das weiß man zwar aus Erfahrung - aber im Augenblick war das für Zwottel und Hörbe leider ein schwacher Trost. Wenn nur der Hut nicht wegflog! Wenn sie nur von den Blitzen verschont blieben! Wenn nur kein Wipfel auf sie herabstürzte - oder gar ein Baum!
„Aufhören! Aufhören!", schimpfte Zwottel, sooft er die Zähne zwischen zwei Windstößen freibekam. „Aufhören, sag ich!! Aufhören - oder ich vergess mich!!!"
Da konnte er lange schimpfen! Er musste sich zwischendurch immer wieder am Hutrand festbeißen, wenn der Sturm hereinfuhr.
Aber dann war es so weit, dann hatte auch dieses Gewitter sich endlich ausgetobt und zog grollend ab.
Es rumpelte noch ein paarmal von fern herüber. Das war schon kein richtiger Donner mehr, bloß noch ein dumpfes Grummein und Brummein, das mit der Zeit verebbte.
Dann und wann noch ein Wetterleuchten am Himmel -ein blasses, harmloses Flackern: irgendwo weit, weit weg. Viel zu schwach und zu matt schon, als dass sie es unter Hörbes Hut überhaupt noch bemerkt hätten.
Auch der Sturm hatte sich besänftigt. So jäh er begonnen hatte, so rasch war er wieder abgeflaut.
Bloß der Regen - der Regen hielt weiter an. Nun rauschte er schwer und schläfrig auf sie hernieder: auf Hörbes Hut, unter dem sie beisammensaßen und froh waren, dass das Unwetter nun vorüber war.
„Ein Glück, dass wir deinen Hut hatten, Hörbe!"
„Und dass wir zu zweit waren, Zwottel! Was nützt dir der schönste Hut, wenn der Sturm ihn dir wegbläst..."
Sie hatten sich Rücken an Rücken gesetzt und die Beine ausgestreckt: jeder nach seiner Seite.
Dann sprachen sie eine Weile nichts mehr und ließen den Regen regnen.
Es regnete draußen, es regnete, regnete, regnete ohne Unterlass. In den Worlitzer Wäldern musste es unterdessen Abend geworden sein.
„Soll ich mal nachsehen, Hörbe?"
„Von mir aus ..."
Der Zottelschratz hob mit der großen Zehe den Hutrand ein wenig an.
„Stockfinster draußen - und nichts wie Regen, so weit du hören kannst."
Hörbe musste daran zurückdenken, wie er in solchen verregneten Nächten manchmal erwacht war, zu Hause im Siebengiebelwald. Und wenn er gehört hatte, wie es draußen herunterprasselte auf das Reisig über dem Haus - dann war es ihm vorgekommen, als könnte es auf der Welt nichts Schöneres geben für ihn: ein Dach überm Kopf, unter dem man geborgen war, und ein gutes Hutzelmannsbett.
Und doch! Was er hier erlebte, in dieser Stunde, war schöner als alles andere je zuvor: mitten im Wald unter einem Hut zu sitzen, wenn draußen der Regen rauschte -Rücken an Rücken mit einem guten Freund.
Da konnte man hören, wie weit die Welt war: so weit, so weit. Und man selber saß mittendrin in der weiten Welt. Und man hatte es warm und trocken und spürte am ganzen Leib, dass man glücklich war.
„Übrigens ...", sagte Zwottel dann ziemlich unvermittelt. „Ich hab es mir überlegt. Wenn du meinst, dass es besser ist, wenn ich mit dir in den Siebengiebelwald komme, dann soll das ein Wort sein."
„Im Ernst?", fragte Hörbe.
„Im Ernst", sagte Zwottel. „Ich hab das Alleinsein satt. Echt und ehrlich, Hörbe - ich komme mit dir in den Siebengiebelwald."
Es gibt keinen Hutzelmann auf der Welt, der freiwillig eine ganze Nacht lang wegbliebe von daheim - schon gar nicht im Siebengiebelwald. Wer nicht spätestens mit Einbruch der Dunkelheit wieder
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