Das große Hörbe Buch
Vorratskammer?
Tatsächlich! - die Erdhütte war bis zum letzten Winkel mit Vorräten für den Winter angefüllt: mit Säcken voll Mehl, mit Töpfen voll Eingemachtem und Marmelade, mit Körben voll Haselnusskernen und Bucheckern. Es gab Flaschen mit Ahornsirup und Himbeersaft, es gab Tiegel mit Honig und Preiselbeermarmelade. Und alles war gut und trocken gelagert, wie sich's in einer Vorratskammer gehört.
„Kch-na?", meinte Hustenplischke. „Da staunst du wohl, kch-was?"
„Das alles sind deine Vorräte", sagte der alte Zimprich. „Wir Nachbarn haben sie hier zusammengetragen, weil es gewiss nicht schadet, wenn du für schlechte Zeiten was auf der hohen Kante hast. Uns tut es nicht weh - und dir wird es über den Winter helfen."
„Kch-nur eins musst du uns versprechen, und zwar in die Kch-Hand!", fügte Plischke hinzu. „DeinFreund Kch-Zwottel darf nichts von der Hütte erfahren, sonst kch-frisst er dir diese Kch-Vorräte auch noch weg!"
Hörbe musste das Schnupftuch hervorholen und sich kräftig die Nase schnäuzen: einmal, zweimal - und schließlich ein drittes Mal. Dann erst wandte er sich an Zimprich und Hustenplischke.
„Bei meinem großen Hut!", rief er. „Womit habe ich das verdient? Und wie soll ich euch jemals danken dafür, liebe Nachbarsleute?"
„Danken?", sagte der alte Zimprich. „Du könntest uns höchstens ein wenig zur Hand gehen, wenn du Zeit hast..."
„Wobei?", wollte Hörbe wissen.
„Da kch-fragst du noch?" Hustenplischke machte ein überraschtes Gesicht. „Schließlich können wir deine Kch-Hütte nicht einfach so stehen lassen, dass kch-jeder sie schon von kch-Weitem sieht!"
Gemeinsam schleppten sie Reisig und dürre Ranken herbei, die häuften sie kreuz und quer, bis die Vorratshütte darunter verschwunden war.
„Und kch-vergiss nicht", - Plischke schärfte es Hörbe zum Abschied noch einmal ein: „Kein Wort darüber zu Kch-Zwottel Zottelschratz!"
Gab es ein größeres Glück auf der Welt, als Freunde zu haben - und gute Nachbarn, auf die in der Not Verlass war? Nun mochte der Winter kommen, nun mochte er dauern, so lang er wollte: Sie brauchten sich vor dem Winter nicht mehr zu fürchten.
An diesem Abend gab es bei Hörbe und Zwottel gedünstete Pfifferlinge mit Nudeln und Kräutertunke. Der Hutzelmann hatte sich eigentlich vorgenommen die Pilze bis Weihnachten aufzuheben - aber der heutige Abend musste gefeiert werden.
„Ich wusste gar nicht, dass Pfifferlinge so schändlich gut schmecken, wenn man sie di-da-dünstet!" Zwottel verdrehte die Augen und schmatzte. „Sonst nämlich, weißt du, hab ich sie immer roh gegessen ... Im Übrigen juckt
mich die Nase: Ich fürchte, wir kriegen anderes Wi-Wa-Wetter ..."
Der Zottelschratz aus den Worlitzer Wäldern hatte sich längst an die gute und reichliche Hutzelmannsküche gewöhnt. Heut Nacht jedoch brach er wieder einmal in ein lautes Geschnü-schna-schnurche aus, wie man es schon seit vielen Wochen nicht mehr von ihm gehört hatte.
Als Hörbe am nächsten Morgen erwachte und sich den großen Hut aus der Stirn schob, hörte er droben, über dem Dach des Hauses, ein unablässiges Rauschen und Plätschern. Da wusste er, dass der Regen gekommen war, der Novemberregen. Von allen Zweigen des Reisighaufens troff Wasser herunter.
„Was tut's!", meinte Hörbe und schlug den Kragen hoch. „Die Welt gefällt mir an jedem Tag, auch an Regentagen."
Zwottel, der Zottelschratz aus den Worlitzer Wäldern, war anderer Meinung in diesem Punkt.
„Unsereins kann den Regen nicht ausstehen!", brummte er. „Noch dazu, wenn es kalt ist... Unsereins müsste an solchen Tagen einfach daheim bleiben können, da hätte es unsereins wenigstens warm und gemütlich."
„Du sagst es!", rief Hörbe. „Draußen der kalte Regen -und drin in der Stube ein warmer Ofen. Und dicke Wollsocken an den Füßen! So lässt es sich ein paar Tage aushalten, finde ich."
„Erstens", erwiderte Zwottel missgelaunt: „Erstens hat unsereins keine Wi-Wa-Wollsocken an den Füßen - und zweitens: Du musst ja nicht hinaus, bei dem Lausewetter!"
„Du etwa?", fragte Hörbe erstaunt.
„Unsereins schon", maulte Zwottel. „Weil unsereins nämlich heute bei Nörgelseff und dem kleinen Leubner zu Ti-Ta-Tisch muss."
„Von Müssen ist keine Rede", meinte der Hutzelmann.
„Doch!", sagte Zwottel. „Unsereins lässt sich nicht lumpen, wenn unsereins eingeladen ist. Das verstehst du doch hoffentlich."
Der Regen rauschte und rauschte, es regnete ohne Unterlass
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