Das große Hörbe Buch
drittens und überhaupt: Das Leben würde mir keinen Spaß machen ohne dich."
„Dir auch nicht?" Der Zottelschratz seufzte erleichtert auf. „Dann sind wir ja einer Meinung, Hörbe! Wir werden schon irgendwie di-da-durchkommen, hoffe ich ..."
Er klappte den leeren Brotkasten zu und legte drei Finger aufs Herz.
„Von morgen an gehe ich jeden Tag in den Wald", versprach er. „Dann bringe ich Beeren und Pilze mit nach Hause - und Nüsse und alles andere, was sich an Essbarem finden lässt!"
„Tu das!" Der Hutzelmann klopfte ihm auf die Schulter. „Tu das, mein Lieber - das soll ein Wort sein!"
„Und du", meinte Zwottel treuherzig. „Weißt du, was du nun tun könntest?" „Ja?", fragte Hörbe gespannt.
„Na - was wohl? Du könntest uns einen großen Topf Suppe kochen zum Abendessen, schön dick und mit einer guten Einbrenn dran ..."
An diesem Abend fand Hörbe lange Zeit keinen Schlaf. Er lag auf dem Rücken und starrte zur Stubendecke hinauf. Zwottel hatte sich auf dem Lager im Ofenwinkel zusammengerollt: Satt von der Abendsuppe, schnurrte er vor sich hin wie ein kleiner Kater. Für ihn war nun alles wieder in schönster Ordnung, für Hörbe nicht.
„Was soll ich bloß tun?", überlegte der Hutzelmann hin und her. „Die Wintervorräte reichen zur Not ja für mich -aber für zwei gewiss nicht..."
Nach langem Grübeln fiel ihm der alte Zimprich ein. „Den werd ich fragen", beschloss er. „Wenn mir jemand in dieser Sache raten kann - dann der alte Zimprich!"
Am nächsten Morgen zog Zwottel gleich nach dem Frühstück los, um Beeren und Nüsse zu sammeln: die Nüsse in einen Sack aus Rupfen, die Beeren in einen Henkeltopf. Und während der Zottelschratz außer Haus war, ging Hörbe zum alten Zimprich.
Zimprich saß in der Werkstatt an seiner Töpferscheibe und formte gerade aus Ton eine Suppenschüssel. Er hatte sich vorsichtshalber den Bart nach hinten gebunden, der wäre ihm sonst bei der Arbeit im Weg gewesen.
„Willkommen, Hörbe! - gleich hab ich Zeit für dich."
Zimprich drehte die Schüssel fertig, dann hielt er die Scheibe an, wusch sich in einem hölzernen Zuber die Hände, löste die Schleife im Nacken und strich den Bart nach vorn.
„Gehen wir in die Wohnstube", schlug er vor. „Ich mache uns einen Tee."
Hörbe zog sich im Hausflur die Schuhe aus und folgte dem alten Zimprich auf Strumpfsocken in die Stube. Da Hustenplischke im Wald war, durfte er sich an dessen Platz auf der Fensterbank setzen.
Am Herd bereitete Zimprich den Tee zu. Nachdem er zwei Tassen damit gefüllt hatte, machte er sich's im Lehnstuhl bequem und nahm einen ersten Schluck von dem heißen Gebräu. Dann blickte er über den Rand der Tasse zu Hörbe hinüber und musterte ihn.
„Ich kann mir schon denken, weshalb du gekommen bist - es ist wegen Zwottel."
Der alte Zimprich zupfte an seinem Bart und hörte sich an, was Hörbe ihm zu berichten hatte. Er schien nicht besonders davon überrascht zu sein.
„Das musste ja kommen", meinte er. „Und ich hab mir auch längst Gedanken darüber gemacht... Irgendwie wird es uns schon gelingen, dir über den Winter zu helfen."
„Uns beiden!", warf Hörbe ein.
„Zwottel wird unsere Hilfe kaum nötig haben", erwiderte ihm der alte Zimprich. „Er ist ja ein Zottelschratz! Und alle richtigen Schratze halten bekanntlich während der kalten Jahreszeit ihren Winterschlaf. Daher auch der große Hunger! Zwottel futtert auf Vorrat, bevor er einschläft ..."
„Weißt du das ganz gewiss?", fragte Hörbe.
„Das weiß ich", beruhigte ihn der alte Zimprich. „Du kannst dich genauso darauf verlassen, wie du dich auf uns Nachbarsleute verlassen kannst. Wir werden uns schon was einfallen lassen ... Gleich morgen rede ich mit den andern, wir geben dir dann Bescheid."
Während Hörbe beim alten Zimprich saß, um sich Rat zu holen, sammelte Zwottel im Siebengiebelwald Beeren und Nüsse - streng nach der Regel: „Unsereins bringt vom Besten stets nur das Bi-Ba-Beste heim!"
Mittlerweile ging es auf Ende Oktober zu. Es gab nicht mehr viele Beeren um diese Zeit, die noch frisch genug waren, um sie nach Hause zu tragen - die übrigen aß der Zottelschratz lieber auf. Mit den Bucheckern und den Haselnusskernen verfuhr er ebenso. „Was zum Mitnehmen nicht geeignet ist, braucht man noch lang nicht im Wald verkommen zu lassen." - Damit hatte er sicherlich recht.
Drei Tage lang suchte Zwottel die Beerensträucher im Umkreis von Hörbes Haus ab, am vierten kam er dann zufällig in die
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