Das große Hörbe Buch
danke ich dir, lieber Nachbar Hörbe, dass du uns hier so gut und reichlich bewirtest. Zum andern jedoch - zum andern möchte ich dir, lieber Zwottel Zottelschratz aus den Worlitzer Wäldern, zurufen: Schön willkommen im Siebengiebelwald! Lasst uns allezeit gute Freunde bleiben und fest zusammenhalten - das wünsche ich dir und uns allen von ganzem Herzen!"
„Und ich mir auch!", rief der Zottelschratz. „Schönen Dank, alter Zi-Za-Zimprich, für deine Rede, ich bin ganz gerührt davon!" Er tat einen Satz - und schwupp! stand er auf dem Tisch, inmitten der Tassen und Kuchenteller. „Unsereins hält keine Ansprachen", rief er, „unsereins hält keine Unsprachen - unsereins singt und tanzt euch lieber was vor!"
Der geborene Spaßmacher stieß einen lauten Juchzer aus, er begann auf der Kaffeetafel herumzutanzen und sang dazu:
„Werte Hi-Ha-Hutzelmänner
Aus dem Siebengiebelwald,
Unsereins nimmt fri-fra-freudig
Hier bei euch den Aufenthalt:
Hoch der Drei-Vier-Fünf-Sechs-Sieben...
Hoch der Siebengiebelwald!"
Er tanzte so federleicht auf dem Tisch herum, dass er an keinem der vierzehn Teller anstieß, an keiner der vierzehn Tassen, selbst an der bunt gemusterten Kanne nicht.
„Heißa!", riefen die Hutzelmänner und klatschten den Takt dazu:
„Hoch der Drei-Vier-Fünf-Sechs-Sieben...
Hoch der Siebengiebelwald!"
Einmal geht auch der lustigste Tanz zu Ende. Der Zottelschratz schlug einen Purzelbaum, sprang vom Tisch und ließ sich erschöpft und atemlos auf seinen Stuhl fallen.
Hörbe schenkte ihm eine Tasse Kaffee ein. „Du wirst Durst haben, meine ich ... Und was hältst du von einem schönen Stück Streuselkuchen?"
„Her damit!", prustete Zwottel.
Es blieb nicht bei diesem einen Kuchenstück, nicht bei zweien und nicht bei dreien.
„Zwottel verträgt aber eine ganze Menge!", staunte der kleine Leubner. „Hoffentlich isst er sich keinen Schaden dran ..."
Und der Nörgelseff nörgelte: „Was für ein Fresssack! Wie Hörbe den über den Winter bringen will, ist mir schleierhaft!"
Das Fest war gefeiert, der Kuchen war aufgegessen, im Siebengiebelwald fing eine neue Woche an. Es gab für die Hutzelmänner noch tausend wichtige Dinge zu tun, bis der erste Schnee fiel:
Holz war zu hacken und aufzuschichten, Mehl war zu mahlen und Brot zu backen; die Fenster und Türen mussten abgedichtet, die Fugen zwischen den Balken mit Moos verstopft werden; ein letztes Mal wurde große Wäsche gewaschen, ein letztes Mal wurden die Strohsäcke und das Bettzeug zum Lüften hinausgeschafft an die Mittagssonne - und überdies war es nun an der Zeit, die warmen Sachen aus Truhen und Kästen hervorzukramen und herzurichten, die Wollsocken und die derben Stiefel, die Fäustlinge und die Wintermäntel.
Auch Hörbe brauchte sich über Langeweile nicht zu beklagen - in diesen Tagen und Wochen konnte er nicht einmal seine Körbe flechten. Na, wenn schon! Im Winter wollte er alles nachholen, was er jetzt versäumte ...
Zwottel machte sich bei der Arbeit nützlich, so gut er konnte. Er hatte bloß einen einzigen großen Fehler: Seine Gefräßigkeit nahm von Tag zu Tag zu. Bei jeder Mahlzeit verzehrte er doppelt, ja dreimal so viel wie sein Freund, der Hutzelmann. Mit dem Brotbacken kamen sie kaum noch nach, der Backofen hinter dem Haus wurde nie mehr richtig kalt.
„Was kann ich dafür?", meinte Zwottel, als eines Abends wieder einmal der Brotkasten leer war. „Im Herbst, verstehst du, wird unsereins immer vom großen Hunger gepackt: Da gehört das für unsereins einfach dazu - wie zum Zwottel der Zi-Za-Zottelschwanz."
„Hm", brummte Hörbe und kratzte sich voller Sorge unter dem großen Hut.
Es sah leider ganz danach aus, als sollte der Nörgelseff recht behalten. Bei Zwottels gewaltigem Hunger würden sie kaum bis Weihnachten reichen mit Hörbes Vorräten -und was dann?
Irgendwas musste geschehen! - Das stand für den Hutzelmann fest. Doch was konnte er tun, welchen Ausweg gab es für ihn?
Zwottel schien die Gedanken des Freundes erraten zu haben. Er fragte mit leiser Stimme: „Wirst du mich wegschicken, Hörbe?"
„Wegschicken?" Hörbe schüttelte heftig den Kopf - so heftig, dass ihm der große Hut in den Nacken rutschte. „Wie käme ich denn dazu?!"
„Es wäre das Beste für dich - und das Einfachste. Oder etwa nicht?"
„Wenn schon!", ereiferte sich der Hutzelmann. „Muss denn das Beste und Einfachste immer das Richtige sein? Erstens bist du mein Freund ..."
„Und zweitens?"
„Zweitens,
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