Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
meinen Lieblingskäse in den Korb. Mag ich das überhaupt noch? Aber irgendwo muss ich ja anfangen.
Wieder zuhause, mache ich mich an die Post. Anfangs öffne ich noch jeden Umschlag, nach einer Stunde werfe ich alles, was nach Werbung oder Katalog aussieht, ungeöffnet weg. Es geht schneller als gedacht, das Häufchen ist kleiner als vermutet. Nichts verpasst. Wer wirklich was von mir wollte im letzten Jahr, hat mich auch so erreicht.
Die Pakete machen mehr Spaß. Darunter zwei, die ich an mich selbst geschickt habe, eins aus Honolulu, eins aus San Francisco. Ich bin gespannt, denn ich kann mich nicht mehr erinnern, was so wichtig war, dass ich es mir schicken musste. Es ist wie Weihnachten– und die Geschenke kommen von einer Tante, die es zwar gut mit mir meint, aber leicht danebenliegt: ein Schal aus Indien, ein Papierdrache aus Shanghai, ein Fächer, ein paar Bücher, eine Strickjacke, die ich anscheinend nicht einfach entsorgen wollte. Ratlos starre ich die Sachen an: Nichts davon finde ich sonderlich unverzichtbar. Wieso habe ich vor einem halben Jahr einhundert Dollar Porto dafür lockergemacht?
Noch ein Paket: weich, mit dänischen Briefmarken. Ich habe mir nichts aus Kopenhagen geschickt, ich erkenne auch nicht die Handschrift. Ich öffne es, und zum ersten Mal hüpft mein Herz: das Kreuzstichkissen mit Teetassenmotiv, das ich in London begonnen und in Kopenhagen fertiggestickt habe. Ich hatte es im August dort in ein Handarbeitsgeschäft getragen und meine Kreditkartendaten hinterlassen.
» Ja natürlich, wir nähen Ihnen ein Kissen daraus und schicken es nach Hamburg, kein Problem.«
Damals hatte ich ins Blog geschrieben: » Nächstes Jahr werde ich darauf sonntags auf dem Sofa einschlafen und von der Welt träumen.«
Und hier ist es. Und morgen ist Sonntag.
Die erste Woche
Nach fünf Tagen habe ich dann doch mal den Koffer ausgepackt.
So lange stand er ungeöffnet im Flur, ich bin jeden Tag ein paarmal an ihm vorbeigegangen, habe ihn angesehen, habe ihn stehen lassen. Das soll ein anderer analysieren, warum ich ihn nicht anfassen mochte.
Aber tatsächlich brauche ich derzeit nichts daraus. Meine Reisegarderobe war für zwölf Monate Mehr-oder-weniger-Sommer ausgelegt, hier, im Mehr-oder-weniger-Winter, bediene ich mich aus meinem Kleiderschrank. Und wieder dieses seltsame Gefühl: mein Kleiderschrank? Die Sachen darin scheinen einer entfernten Bekannten zu gehören, somebody that I used to know, einer mit einer kleineren Kleidergröße als ich und einem teureren Geschmack (und wozu hat sie so viele High Heels?). Wann immer ich mir einen Pullover aus dem Schrank nehme, fühle ich mich, als ob ich ihn mir ausleihe.
Auch sonst gehe ich durch meine Wohnung wie ein Hausgast auf Wochenendbesuch. Tolle Wohnung, wirklich. Wunderschön. Aber viel zu groß für mich und gleichzeitig viel zu eng, zu voll mit Zeug. Ich fühle mich wie in einem Theaterfundus, umzingelt von Requisiten längst abgesetzter Aufführungen. Einiges erkenne ich wieder, anderes nicht. Und alles finde ich überflüssig. Wer hat nur diesen ganzen Krempel angehäuft?
Schon am ersten Abend habe ich den ersten von vielen Plastiksäcken mit Klamotten für das Rote Kreuz gefüllt.
Stundenlang laufe ich durch die kalte graue Stadt, um die Alster, die Elbe entlang– und hole mir dabei an der rechten Ferse die größte Blase meines Lebens. Es war fast unvermeidlich: Zum ersten Mal seit einem Jahr in Flipflops und Chucks trage ich wieder feste Winterstiefel, und schon… Ich scheuere mich an meinem alten Leben auf.
Ich kaufe mir ein Paar dicke Stoppersocken für zuhause und lache mich dafür aus. Stoppersocken, na toll. Wie symbolisch.
Ich treffe Freunde, die Wiedersehensfreude ist groß, das Gespräch ist meist anstrengend. Sie wollen wissen, wie es war. Ich sage: » Ihr habt doch das Blog gelesen.«
» Ja, aber wie war es denn wirklich?«
Ich will lieber hören, wie es bei ihnen war. Sie wissen alles von mir, ich viel zu wenig von ihnen. Die meisten zucken mit den Schultern.
» Wie immer eben.«
Nach den Treffen bin ich erschöpft. Man kann ein Jahr nicht einfach über zwei Gläsern Wein nachholen, so viel ist klar.
Am spannendsten für mich: Viele, die ich nicht regelmäßig treffe, haben gar nicht registriert, dass ich ein ganzes Jahr fort war. Meine Käsefrau sagt: » Sie habe ich ja länger nicht gesehen, waren Sie im Urlaub?«
Ich hatte diese Erfahrung schon früher gemacht, als ich im Zweiwochen-Rhythmus zwischen
Weitere Kostenlose Bücher