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Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)

Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)

Titel: Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meike Winnemuth
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Erwarten Sie das Schlimmste, hoffen Sie das Beste«, hatte Sergio, der Dritte Offizier, gesagt. Inzwischen weiß ich, was er gemeint hat.
    Jetzt erlebe ich auch mal am eigenen Leib, was Physiker und Seeleute mit den six degrees of freedom meinen, die ein Schiff hat. Hinter diesem poetischen Begriff verbirgt sich bei schwerer See eine Achterbahnfahrt, die sich gewaschen hat. So ein Dampfer fährt ja nicht nur vorwärts, sondern er stampft (bewegt sich also auf und ab) und rollt (schwankt von Seite zu Seite) und giert (bricht nach links und rechts aus). Diese sechs Bewegungen passieren in der Regel gleichzeitig, was man sehr schön am Pegelstand der Suppe heute Mittag sehen konnte, die im Teller nicht nur sanft von links nach rechts schwappte, sondern sich walzerartig im Kreis drehte.

    In meiner Kabine ist aus gutem Grund alles so konstruiert, dass sich bei Sturm nichts vom Platz bewegen kann. Die Schreibtischlampe klebt mit Saugnäpfen auf dem Tisch, Schranktüren und Schubladen sind nur mit viel Kraft zu öffnen, Gläser in ausgefrästen Löchern fixiert. Doch seit wir die Biskaya erreicht haben, gibt es kein Halten mehr. Die Schreibtischlampe löste sich von ihren Gumminoppen und segelte quer durch die Kabine, eine in London gekaufte Teetasse, die mich sechs Monate lang unfallfrei begleitet hat, segnete nach einer besonders tückischen Welle ebenfalls das Zeitliche– sie bekommt ein Seemannsgrab.
    Mir dagegen geht es fabelhaft. Kein Schwindel, keine Übelkeit und leider überhaupt keine Appetitlosigkeit. Der junge kroatische Schiffselektriker Marin, der in der Offiziersmesse neben mir sitzt, wird jeden Tag ein bisschen grüner, wenn er mir beim Essen zusieht, und zählt die Tage rückwärts ( » noch fünf Tage bis Hamburg, noch vier«). Ich hingegen sehe mit Beklommenheit, dass das Ende der Reise jetzt wirklich unaufhaltsam näher rückt.
    Wie es zuhause sein wird? Keine Ahnung. Kalt, schätze ich. Grau. Das hatte ich beides seit zwölf Monaten nicht mehr, von wenigen Regentagen abgesehen. Ich freue mich wahnsinnig auf meine Freunde und Familie, doch vieles werde ich verändert vorfinden. Bei meinen Freunden ist eine Menge passiert in diesem Jahr, das ich nur von ferne begleiten konnte: eine böse Trennung, eine Kündigung, eine neue Liebe, eine schwere Krankheit, ein Jobwechsel. Auch wenn wir die ganze Zeit in Kontakt waren, so war ich doch für ein Jahr nicht Teil ihres Alltags. Das merke ich bei einer Freundin ganz besonders, die nur noch schleppend oder gar nicht mehr auf meine Mails reagiert. Ich bin aus ihrem Leben verschwunden, und jetzt verschwindet sie aus meinem. Keine Ahnung, ob wir uns wieder annähern können.
    Ich werde den Faden jedenfalls nicht einfach dort wieder aufnehmen können, wo ich ihn habe fallen lassen. Eine Rundreise ist so ein langer Trip auf keinen Fall. Ich werde nicht wieder am Ausgangspunkt ankommen– es gibt ihn nicht mehr und auch ich bin nicht mehr dieselbe. Noch kann ich Dir nicht sagen, worin das andere besteht, bislang ist es ein eher diffuses Gefühl, das sich sicher erst zuhause scharf stellen wird.
    Denn dort werden einige Fragen auf mich zukommen: einfach zurück ins Geschirr und business as usual? Unvorstellbar. Aber wie geht es weiter? Vor allem: Wie geht es ohne Reisen weiter? Ich habe zwar schon jede Menge Aufträge und Termine, der Januar ist zu meinem Erschrecken bereits ausgebucht mit Arbeit und Verabredungen, aber wie es mir dabei gehen wird, ob in mir nicht alles dagegen rebelliert, wieder zuhause zu sein– keine Ahnung. Keine Erfahrungswerte. Ich werd’s ja sehen.
    Was mich in dieser Situation tröstet, ist ein Buch, das ich noch in Havanna auf dem Open-Air-Buchmarkt an der Plaza de Armas entdeckt habe. Es ist ein echter Glücksfund: ein in abgewetztes blaues Leinen gebundener Jahresband National Geographic von 1958, dem Jahr vor der Revolution. Wer weiß, woher er stammt, vielleicht aus einer Bibliothek, vielleicht hat ihn ein vor der Revolution fliehender amerikanischer Abonnent zurückgelassen. Ich habe das Buch sofort gekauft, ohne viel zu handeln, obwohl es mindestens zwei Kilo wiegt und ich normalerweise jedes Gramm zu viel vermeide (zumindest im Koffer). Aber die alten Reisereportagen haben mich beim Durchblättern augenblicklich gefes s elt.
    Auf einer Bank unter den Bäumen der Plaza habe ich die erste in einem Rutsch durchgelesen: William O. Douglas, Richter am Obersten Bundesgericht, schreibt von seiner Autotour durch Pakistan, Afghanistan, Iran

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