Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
im Kleinen und im Großen. Zumal ich die Erfahrung gemacht habe: Liebesmühen sind niemals verloren, im Gegenteil. Das Weblog, das ich während der Reise geschrieben habe, wird zu meiner Überraschung für den Grimme Online Award nominiert und bei den Lead Awards ausgezeichnet. Eine gute Lektion: Alles, was man leichten Herzens und aus Freude tut, wird belohnt.
Auch die Zufälle, an denen das Jahr so reich war, setzen sich fort. Die Radiojournalistin Anne, die ich in San Francisco kennengelernt habe, empfiehlt einem befreundeten Kameramann und seiner Frau mein Weblog, weil die beiden nach Barcelona reisen wollen und nach Tipps suchen. Stellt sich heraus: Sie war Kamerafrau in der Wer wird Millionär? -Sendung, sie hatte an jenem Abend die ganze Zeit die Kamera auf mein Gesicht gerichtet. Solche Koinzidenzen erlebe ich zuhauf, die Welt spinnt auch zuhause ein schönes dichtes Beziehungsgeflecht, das mich hält und trägt.
Menschen, die ich bislang nur virtuell kannte, sehe ich erstmals im wahren Leben. Jule, eine der engagiertesten Kommentatorinnen meines Blogs, kommt aus Berlin, bringt selbst gebackene Kekse mit und ist auch sonst ganz wunderbar. Aimée treffe ich zum Tee, wir stellen erleichtert fest, dass unser Chat sich nahtlos und mühelos fortsetzt. Sie nimmt mich zu einem Poloturnier und zu einem HSV -Spiel mit; sie singt laut und textsicher bei Lotto King Karls » Hamburg, meine Perle« mit und erstaunt mich damit ein weiteres und bestimmt nicht letztes Mal.
Und trotzdem: Ich bin immer noch rastlos. Nach drei Monaten Hamburg flüchte ich für vier Wochen in meine winzige Münchner Zweitwohnung, die bis dahin untervermietet war. Und stelle sofort fest, dass ich mich in einer reduzierten Umgebung mit einem Bett, einem Tisch, zwei Tellern und zwei Gläsern deutlich wohler fühle als in meinem feudalen Hamburger Zuhause. Einen weiteren Monat hüte ich ein Haus an der Ostsee für eine Freundin ein. Auch das gefällt mir: eine neue Umgebung mit neuen Aufgaben– zum ersten Mal in meinem Leben mähe ich einen Rasen. Nichts fällt mir leichter, als für einen Monat Abwesenheit zu packen: In meinen Koffer wandert praktisch dasselbe, was sich schon während der Reise bewährt hat. Mein Kleiderschrank hat sich ohnehin in den letzten Monaten enorm geleert. Ich werfe Ballast ab.
Zwischendurch fahre ich für ein Wochenende nach Kopenhagen, um das Fahrrad abzuholen, das ich mir habe bauen lassen. Es ist die erste Rückkehr in eine meiner zwölf Städte, und als der Zug in den Bahnhof einfährt, ist mir, so beschämend ich das auch finde, noch sentimentaler zumute als bei der Heimkehr nach Hamburg. Aussteigen, sich gleich zurechtfinden in den vertrauten Straßen– und sofort ist wieder dieses Prickeln da. Das Gift der Freiheit kreist noch in meinen Adern.
Das spüre ich bei jeder Gelegenheit. Aus einem Zeitschriftenprojekt steige ich nach einigen Sitzungen wieder aus, als ich feststelle, dass ich ihm nichts hinzuzufügen habe und das Projekt mir erst recht nichts. Das Jahr hat mich ungeduldiger gemacht, wenn es um die Kategorien geht nicht/gibt’s nicht/haben wir noch nie so gemacht/könnte ja jeder kommen geht. Was alles geht und was es alles gibt, davon habe ich eine kleine Ahnung bekommen. Dass die Welt voller Möglichkeiten steckt, die Dinge anders zu sehen und anders zu machen, das kriege ich hoffentlich nicht mehr aus meinem System.
Gleichzeitig merke ich, dass diese unruhige Energie noch nicht weiß, wohin mit sich. Ich treffe meine Freundin Barbara zum Frühstück, erzähle von Ideen, Plänen, Sehnsüchten. Sprudelnd, unsortiert, richtungslos. Dass ich gerade nach einer Einzimmerwohnung suche, am liebsten in einem Hochhaus, weil mir mein Altbaupalast einfach hartnäckig zu groß ist nach einem Jahr Leben aus dem Koffer. Ich will es kleiner, übersichtlicher– am liebsten möchte ich in einem Koffer leben. Dass ich andererseits gerade in meiner Riesenwohnung ein Essen für Wildfremde veranstaltet habe, dass es einer der besten Abende dieses Jahres war und dass die Wohnung plötzlich doch einen Sinn hatte. Dass ich gleich nach Abgabe des Buchmanuskripts wieder losreisen werde. Dass ich aber auch wahnsinnig gern einen Garten und einen Hund hätte, vielleicht einen Irish Terrier? Einen Australian Shepherd?
Ich kreisele durch all die Optionen wie ein aufgezogenes Blechspielzeug, dass sich ratternd an einer Wand totläuft. Barbara guckt mich besorgt an und sagt erst nichts. Dann doch: » Du bist manisch«, sehr
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