Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
aber noch an seinem Bette waren, schlug es eins und da liefen sie was gibst du, was hast du, packten ihre Siebensachen zusammen und waren weg, ehe man eine Hand umdreht. Der Wachtmeister athmete frisch auf und schlief auf den ausgestandenen Schrecken wie ein Prinz. Als er wieder aufwachte, da war es gar freundlich und hell um ihn her, das ganze Zimmer war weiß geworden und nur das Schloss an der Tür noch schwarz. Als die Diener ihm das Frühstück brachten, trugen sie weiße Kleider und hatten nur noch schwarze Krägen und Handschuhe. Ebenso die Prinzessin und ihre Kammerjungfern. Wie war die jetzt so schön und wie war sie erst jetzt so freundlich! Sie sprang ordentlich ins Zimmer herein vor lauter Freude und drückte dem Wachtmeister die Hand und sprach: „Jetzt halte nur noch eine Nacht aus, mein Erlöser, und fürchte dich nicht; dir kann nichts geschehen; dann ist das Schwerste überstanden und wir sind glücklich auf ewig.“ Der Wachtmeister war ganz außer sich vor Glück und schwur ihr hoch und teuer, er wolle sie erlösen und sollte er auch in Stücke zerhackt werden.
Nachdem die Prinzessin fort war, ging der Wachtmeister wiederum durch die Zimmer des Schlosses und betrachtete sie eins nach dem andern. Er wusste die Zeit nicht besser tot zu schlagen, als dass er sie alle abmalte, denn sein Vater war ein Kunstmaler gewesen und hatte ihn in der Malerei gehörig unterrichtet, so dass er Alles malen konnte, was er nur sah. Als es kaum zwölf Uhr in der Nacht geschlagen hatte, da krachte es wieder, dass ihm fast Hören und Sehen verging. Zugleich sprang die Thür auf und einer von den Männern kam herein und trug einen ungeheuren Kessel auf den Schultern, der andre rollte ein Fass Öl herein und der dritte trug eine schwere Last Holz. Sie hingen den Kessel in der Mitte des Zimmers auf, gossen das Öl hinein und machten Feuer darunter an. Während dessen sprachen sie zu einander, heute würden sie Ernst machen und den Wachtmeister lebendig in dem Öl sieden; bis jetzt hätten sie ihn nur schrecken wollen, und sie schürten das Feuer immer ärger, so dass es ihm in seinem Bette heiß wurde und er meinte, das ganze Schloss müsse in Flammen aufgehen. Er dachte aber bei sich: Bangemachen gilt nicht und lag ruhig da und schwieg, wie der Fuchs, wenn er den Geist aufgegeben hat. Als das Öl nun recht kochte und große Blasen warf, da streiften die drei Kerle die Hemdsärmel in die Höhe, rieben die Hände und riefen: Jetzt muss er hinein! Also liefen sie auf ihn zu, aber da schlug es ein Uhr und es tat einen Donnerschlag, dass die Fenster und Türen aus den Angeln fuhren. Die drei Kerle, das Feuer und der Ölkessel verschwanden in einem Augenblick, dagegen entzündeten sich tausend Lichter wie von selbst in dem Saal, und war da eine Pracht, dass es nicht zu sagen ist. Draußen erscholl eine fröhliche Musik, die Thür flog auf und eine ganze Reihe von hohen Herren und Damen kam herein, zuletzt die Prinzessin und alle waren schneeSchlossenweiß und in Gold und Silber gekleidet. Sie aber flog auf den Wachtmeister zu, küsste ihn und Schloss ihn in ihre Arme und rief: „Sei willkommen, mein herzliebster Erlöser und Gemahl!“ Und als sie das gesagt hatte, steckte sie ihm ihren goldnen Ring an den Finger und hing ihm ihre goldne Kette um den Hals; da neigten sich die hohen Herren und Damen dreimal vor ihm und Alles war Jubel und Freude.
Sprach die Prinzessin: „Jetzt bleibt uns nur noch eins übrig, wir müssen aus dem Schloss und in meines Vaters Königreich. Wir dürfen aber nicht zusammen herausgehn, auch musst du es in deiner alten Kleidung verlassen. Reite voraus, ich folge dir mit meinem Hofgesinde nach, aber lass dich durch nichts aufhalten und lass Niemand dich mit Händen berühren, es würde uns Beiden großen Kummer bringen.“ „Hab ich bis jetzt Alles fertig gebracht, dann kann ich es auch ferner,“ sprach der Wachtmeister, schwang sich auf sein Roß und ritt weg. Als er über die Brücke kam, sah er am Wallende ein kleines Haus und unter der Thür saß ein altes Weibchen, welches spann. Es bot ihm die Zeit und sprach: „Ei ihr seit mir ein feiner Herr, dass ihr also euren Zopf hängen lasset und nicht aufsteckt, wie es einem ordentlichen Soldaten ziemt.“ Damals trugen nämlich die Soldaten noch Zöpfe. Als der Wachtmeister an den seinen griff, da hing der in der tat herab und er gab sich vergebens alle Mühe, ihn wieder aufzustecken. Indem rollte es an der Brücke, als wenn viele Wagen kämen und
Weitere Kostenlose Bücher