Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
hinein als ein recht unglücklicher Mann.
So wanderte er Jahr und Tag und bettelte sein Brot an den Türen, denn er war zu stolz, als dass er in seines Vaters Haus hätte zurück kehren mögen. Wie hier auf Erden nichts Bestand hat, so vergeht auch das Leid, und nach und nach dachte er kaum mehr an sein Glück als Prinz und wurde wieder fröhlich wie zuvor. So kam er eines Tages in einen großen Wald und da war es ihm grade zu Mut, wie vor Jahren, als er von Hause weggeschickt wurde. Wer weiß, wozu das gut war, rief er und warf seine Mütze hoch in die Luft. Sie kam aber nicht wieder, sondern blieb an einem Eichenast hängen. Er stieg hinauf, sie zu holen und schaute sich dabei nach allen Seiten um, ob er wo eine KirchTurmspitze in der Nähe sehen könnte. Nun sah er zwar keine KirchTurmspitze, wohl aber dichten Rauch, der nicht weit von ihm im Walde aufwirbelte. In einem Nu war er wieder drunten und ging in der Richtung nach dem Rauche weiter und siehe, da lag der Hügel mit der Räuberhöhle wieder vor ihm und als er hinauf stieg, hörte er zwei Männer reden.
„Hänge dein Horn in den Schrank, ehe wir ausgehn,“ sprach der Eine, „damit kein Dieb es erwischt.“ „Dann gib mir die Stiefel, damit ich sie zu dem Horn stelle,“ sagte der Andere, „und reiche mir den Schlüssel.“ „Nein den Schlüssel muss ich haben,“ erwiederte der Erste, „denn das Horn ist mehr werth, als die Stiefel.“ „Ich gäbe die Stiefel nicht um drei Dutzend deiner Hörner,“ sprach der Zweite, „drum her mit dem Schlüssel.“ Also zankten sie sich und rauften sich und das Ende vom Liede war, dass jeder zu seinem Messer griff und Beide tot hinstürzten.
Warum habt ihr mir nicht den Schlüssel gegeben, rief der Schäferssohn, als er das sah, ich hätte euch der Mühe überhoben, die Sachen zu verschließen. Trat in die Höhle und beguckte die Stiefel, welche grade aussahen wie seine Stiefel auch, nur waren seine zerrissen und diese ganz. Dann beschaute er auch das Horn, und auch das hatte nichts Außergewöhnliches, aber er sprach, wer weiß wozu das gut ist, hing es um den Hals und zog die Stiefel an. Da spürte er alsbald eine so große Leichtigkeit in den Füßen, dass als er eben nur die Höhle verlassen und die Türe verschließen wollte, er mit einem Schritt schon jenseits des Waldes stand. So große Eile hats nicht, dachte er und setzte sich hin und da er doch nichts Besseres zu tun wusste, fing er an in sein Hörnlein zu blasen. Potz Himmel das gab einen Ton, als wenn die Welt zusammenfallen sollte und da war es, als ob es Soldaten regnete und jede Grasspitze und jeder Kornhalm zum Soldaten würde; es waren ihrer mehr als hunderttausend, die sich sogleich in Reih und Glied stellten. Der General aber ritt vor ihn hin, machte eine tiefe Verbeugung und frug: „Was befiehlt mein König und Herr?“
Anfangs wusste der Schäferssohn nicht, ob er wache oder träume, endlich aber fasste er sich und sprach: „Ihr sollt die Hauptstadt belagern und mir die Königstochter gefangen herbringen.“ Dann befahl er schnell vor der Hauptstadt ein Lager zu schlagen und mitten drin sein Zelt zu errichten aus lauter Sammt und Seide. Dahinein setzte er sich in seiner ärmlichen Kleidung.
Es dauerte nicht lange, so kam ein Bote vom König, welcher frug, was die Ursache der Belagerung sei. Der Schäferssohn sprach: „Sage dem König, sein Tochtermann liege vor der Stadt und lasse ihm sagen, so wahr ihm sein und seiner Tochter Leben lieb sei, müsse sie noch heute erfüllen, was ich befehle: sie soll mir die drei Stücke wiedergeben, welche sie mir genommen hat und soll sie selbst in mein Zelt bringen nicht nackend und nicht bekleidet, nicht gegangen, nicht gefahren und nicht geritten.“
Wie der König erzürnte, als er das hörte! Er wusste nicht anders, als dass sein Tochtermann unterwegs verunglückt sei, denn das hatte die Prinzessin ihm vorgelogen. Sogleich musste sie vor ihn kommen und Alles bekennen und sie sollte sich auf der Stelle auf den Weg zum Zelt des Schäferssohnes machen. Das war nun eine harte Nuß zum Knacken; gern hätte sie ihm die drei Stücke zurückgegeben, denn diese hatten ihre Kraft verloren, sobald sie aus den Händen ihres Gemahls waren; die Börse gab kein Geld mehr, der Mantel trug nicht mehr und das Schwert schnitt nicht mehr, aber dass sie sich also vor dem Schäferssohn demüthigen sollte, das wollte ihr nicht in den Kopf. Sie sagte und blieb dabei, sie wisse nicht, wie sie das machen solle,
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