Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
Tag zu Tage weiter und kam endlich auch zu den Ohren des Königs. Jetzt hörte er auch von den drei Wunderdingen, welche die Prinzessinnen aus der Fremde mitgebracht hätten und er wurde so neugierig, dass er sich aufs Pferd setzte und schnurstracks zu dem Schlosse ritt. Die Geschwister hießen ihn freundlich willkommen und wollten ihn sogleich im Schlosse umherführen, aber er konnte sich nicht satt genug an ihnen sehen. Es war ihm so wohl, wie seit langer Zeit nicht und er meinte grade, er müsse sie an sein Herz drücken und küssen. Er frug: „Saget mir doch, woher seit ihr und wer sind eure Eltern?“ „Wir sind auf einer Mühle zu Hause und des Müllers Kinder,“ sprachen die Geschwister, aber da hub der Vogel an zu schreien: „Keine Müllerskinder, Königskinder!“ und er erzählte dem König Alles nach der Ordnung. Man kann sich wohl denken, wie der König und wie die drei Geschwister da erstaunt waren und was das für Freude gab. Auf der Stelle wurde ein Wagen angespannt und sie fuhren Alle zu den braven Müllersleuten und frugen sie, woher die drei Kinder wären? Anfangs wollte der Müller nicht recht mit der Sprache heraus, und sprach, es seien seine Kinder; als der König ihm aber zu verstehen gab, dass Alles schon kund und offenbar sei, da bekannte der Müller, wie er sie aus dem Wasser geholt und wie die alte Königin ihm befohlen habe, sie zu töten, nannte auch Tag und Stunde, wann die drei Schachteln bei der Mühle ankamen. Damit noch nicht zufrieden, ließ der König auch die Hebamme auf die Mühle bescheiden, denn er hätte so gern gehört, dass jemand Anderes im Spiel gewesen sei, als seine eigene Mutter. Aber auch die Hebamme erzählte Alles so, wie es der Vogel erzählt hatte und da blieb ihm denn kein Zweifel mehr. Er Schloss seine lieben Kinder noch einmal an sein Herz und ritt weg, nachdem er sie vorher noch auf den folgenden Tag ins Schloss beschieden hatte.
Zu Hause befahl der König vor Allem, ein großes Gastmahl anzurichten, dann eilte er heimlich zu der armen Königin, welche am äußersten Ende des Gartens in einem kleinen Häuschen allein wohnte. Er bat sie unter Tränen um Verzeihung all des Unrechtes, welches er ihr angetan und erzählte ihr die ganze Geschichte. Es war ein Wunder, dass die gute Frau nicht vor Freude starb, als sie sich so plötzlich aus ihrer Verlassenheit und ihrem Unglück im größten Glücke der Erde fühlte und ihren Mann und ihre lieben Kinder auf einmal wieder erhielt.
Am folgenden Tage, als die Gäste recht heiter bei dem Mahle saßen, frug der König: „Was meint ihr, was die drei Geschwister dafür verdient haben, dass sie so eigenmächtig und ohne mich zu fragen das schöne Schloss erbaut haben?“ Sogleich fiel die alte Königin ein: „Man soll sie in siedendes Öl werfen.“ Da öffnete sich die Thür und die Königin trat herein; sie hatte ihre Krone auf dem Haupte und hielt ihre zwei Töchter an der Hand, ihr Sohn folgte ihr; Alle trugen sie die prächtigsten Kleider, so dass ihre Schönheit recht hervorleuchtete. Der König aber küsste sie und erzählte den Gästen, wie sich Alles zugetragen hatte. Dann sprach er: „Der Tod, welcher ihnen zugedacht war, soll diejenige treffen, welche so verrätherisch an mir und ihnen gehandelt hat.“ Da sprangen die Soldaten schon herbei und fassten das alte böse Weib, aber die Mutter und die drei Geschwister baten den König so lange, bis er ihr das Leben schenkte und sie nur in den Kerker werfen ließ, wo sie bis zu ihrem Tode saß. Im Schlosse wohnte von nun an Freude und Friede und Glück und die ganze Königsfamilie war nur ein Herz und eine Seele.
Das Kind vom Grabe
In der Türkei lebte ein Kaufmann, der war sehr reich und hatte Alles, was er sich nur wünschte, nur hatte er keine Kinder und das war doch sein höchster Wunsch. Nach einigen Jahren starb seine Frau und da war er denn recht unglücklich; er fühlte sich so einsam und verlassen in der Welt, dass er des Lebens fast müde war und sein einziger Trost blieb, dass er jeden Abend an das Grab seiner Frau ging, wo er bis gegen Mitternacht blieb und betete.
Zu derselben Zeit regierte ein Sultan in der Türkei, der hatte von allen seinen Frauen nicht ein Kind bekommen. Als aber nach langem Harren die Sultanin eines Tages ihm verkündete, sie werde ihm bald ein Kindlein schenken, da wurde er krank und starb. Die Sultanin übernahm nun die Regierung und führte sie so gut, dass alle Leute im Lande glücklich und zufrieden waren. Sie hatte
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