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Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Titel: Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Grimm
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Teilen, denn sie waren darüber in Streitigkeit geraten. Da sprach der Lehrling zu den Tieren also: „Dir, o Löwe, gebe ich die Haut des Pferdes, der Windhund mag mit seinen scharfen Zähnen die Knochen verspeisen, der Rabe soll das Aas des Pferdes haben und die Ameise mag in seinem Kopfe ihr Winterquartier aufschlagen.“
    Mit dieser Teilung waren die Tiere zufrieden, und als der Lehrling eine Strecke weiter gegangen war, kam der Windhund hinter ihm hergesprungen und sprach: „Du sollst noch einmal zu meinem Herrn, dem Löwen, kommen.“ Nun denkt der Lehrling nicht anders, als dass er jetzt sterben soll. Aber der Löwe sagt: sie hätten vergessen nach der Schuldigkeit zu fragen wegen des Teilens. Der Lehrling antwortete zwar: das sei gern geschehen; aber der Löwe spricht: wenn er nicht fordern wolle, so gebe er selbst, sowie der Windhund und der Rabe ihm etwas von seinem Haupte. Wenn er das riebe, so wäre er das Tier, von dessen Haupte er das empfangen hätte, was er eben riebe, und auch die Ameise gebe ihm die Macht, ihre Gestalt anzunehmen, so oft er es wünsche. Das gefiel dem Lehrling, und er rieb sogleich die Haare des Windhundes und sprang als Windhund davon. Nun, denkt er, soll mir Niemand mehr die Augen ausstechen, denn ich würde ihm gleich als Windhund entschlüpfen. Er läuft eine ganze Strecke weit, da kommt er an eine Stadt, verwandelt sich wieder in einen Menschen und geht hinein. Es war aber die Stadt voller Trauer und der Lehrling brachte bald in Erfahrung, dass an diesem Tage die Prinzessin in einer Wolkensäule abgeholt werden solle. Als er nach dem Markte kam, saß auch die Prinzessin schon dort auf einem Sessel und wartete, dass die Wolkensäule käme und sie abhole. In dem Augenblicke flog die Wolkensäule nieder auf den Markt, hüllte die Prinzessin ein und flog mit ihr davon. Als der Lehrling das sah, verwandelte er sich in einen Raben und flog der Wolkensäule nach. Die aber ließ sich endlich vor einem großen Schlosse nieder, aus dem trat eine große Gestalt heraus, ließ die Prinzessin ein und Schloss die Burg wieder zu. Die große Gestalt aber, welche ein verwünschter Prinz gewesen ist, sagte der Prinzessin, wenn sie etwas begehre, so möge sie rufen: Mann ohne Leef![1] draußen vor dem Tore verwandelte sich nun der Lehrling aus dem Raben in die Ameise und kroch so durch Thür und Tor ins Zimmer der Prinzessin. Als er im Zimmer war, nahm er seine menschliche Gestalt an. Da rief die Prinzessin erschreckt: Mann ohne Leef! Sogleich erschien der Mann ohne Leib, und der Lehrling kroch als Ameise unter den Stuhl der Prinzessin. Der Mann ohne Leib erscheint, sieht aber Niemand und versichert die Prinzessin, dass hier niemals ein Mensch herkomme. Nachdem der Mann ohne Leib das Zimmer verlassen hat, erscheint die Ameise von neuem in menschlicher Gestalt und winkt der Prinzessin Stillschweigen zu. Sie flieht in einen Winkel des Zimmers, hört aber den Lehrling jetzt stillschweigend an. Der sagt, er wolle sie erlösen, und verwandelt sich vor ihren Augen in einen Löwen, in einen Windhund, einen Raben und eine Ameise, damit sie Vertrauen zu seinen Künsten Fasst und in Zukunft nicht mehr vor ihm erschrickt.
    Die Prinzessin berieth von jetzt an häufig mit dem Lehrling, der sich stets in eine Ameise verwandelte, so oft er den Mann ohne Leib kommen sah, wie sie erlöst werden könne, und der Lehrling gab ihr den Rath, den Mann ohne Leib einmal über seine ganze Verwünschung auszufragen. Nun hat die Prinzessin einen Tag um den andern den Mann ohne Leib lausen müssen und dabei fragte sie ihn denn einmal aus, wie es mit seiner Verwünschung stände und wie sie selbst erlöst werden könnte. „Du bist sehr kühn“, antwortete ihr der Mann ohne Leib auf ihre Frage, „doch will ich dir Alles der Wahrheit gemäß sagen. Unten im Thale, das du aus dem Fenster des Schlosses erblickst, steht eine Riesenhütte. Der Riese, der darin ist, muss getötet werden; aus seinem Leibe springt dann ein Hase hervor und der Hase muss auch getötet werden; aus ihm flattert eine Taube hervor, die Taube muss auch getötet werden. Die Taube hat ein Ei in sich, das Ei muss ohne mein Wissen auf meinem Kopfe zerschlagen werden, dann sind wir Beide, du und ich, erlöst.“
    Der Lehrling hat Alles als Ameise mit angehört, und als der Mann ohne Leib das Zimmer verlassen hat, will er sogleich als Rabe aus dem Schlosse fliegen und mit dem Riesen kämpfen. Die Prinzessin weint bitterlich und will ihn anfangs nicht ziehen

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