Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
Ende.
Daumesdick
Es war ein armer Bauersmann, der saß abends beim Herd und schürte das Feuer, und die Frau saß und spann. Da sprach er „wie ists so traurig, dass wir keine Kinder haben! Es ist so still bei uns, und in den andern Häusern ists so laut und lustig.“ „Ja“, antwortete die Frau und seufzte, „wenns nur ein einziges wäre, und wenns auch ganz klein wäre, nur Daumens groß, so wollt ich schon zufrieden sein; Wir hättens doch von Herzen lieb.“
Nun geschah es, dass die Frau kränklich ward und nach sieben Monaten ein Kind gebar, das zwar an allen Gliedern vollkommen, aber nicht länger als ein Daumen war. Da sprachen sie „es ist, wie wir es gewünscht haben, und es soll unser liebes Kind sein“ und nannten es nach seiner Gestalt Daumesdick. Sie ließens nicht an Nahrung fehlen, aber das Kind ward nicht größer, sondern blieb wie es in der ersten Stunde gewesen war; doch schaute es verständig aus den Augen, und zeigte sich bald als ein kluges und behendes Ding, dem alles glückte was es anfing.
Der Bauer machte sich eines Tages fertig in den Wald zu gehen und Holz zu fällen, da sprach er so vor sich hin „nun wollt ich, dass einer da wäre, der mir den Wagen nachbrächte.“ „O Vater“, rief Daumesdick, „den Wagen will ich schon bringen, verlasst euch drauf, er soll zur bestimmten Zeit im Walde sein.“ Da lachte der Mann und sprach „wie sollte das zugehen, du bist viel zu klein, um das Pferd mit dem Zügel zu leiten.“ „Das tut nichts, Vater, wenn nur die Mutter anspannen will, ich setze mich dem Pferd ins Ohr und rufe ihm zu wie es gehen soll.“ „Nun“, antwortete der Vater, „einmal wollen wirs versuchen.“
Als die Stunde kam, spannte die Mutter an und setzte Daumesdick ins Ohr des Pferdes, und dann rief der Kleine, wie das Pferd gehen sollte, „jüh und joh! hott und har!“ Da ging es ganz ordentlich als wie bei einem Meister, und der Wagen fuhr den rechten Weg nach dem Walde. Es trug sich zu, als er eben um eine Ecke bog, und der Kleine „har, har!“ rief, dass zwei fremde Männer daher kamen. „Mein“, sprach der eine, „was ist das? Da fährt ein Wagen, und ein Fuhrmann ruft dem Pferde zu, und ist doch nicht zu sehen.“ „Das geht nicht mit rechten Dingen zu“, sagte der andere, „wir wollen dem Karren folgen und sehen, wo er anhält.“ Der Wagen aber fuhr vollends in den Wald hinein und richtig zu dem Platze, wo das Holz gehauen ward. Als Daumesdick seinen Vater erblickte, rief er ihm zu „siehst du, Vater, da bin ich mit dem Wagen, nun hol mich herunter.“ Der Vater fasste das Pferd mit der linken, und holte mit der rechten sein Söhnlein aus dem Ohr, das sich ganz lustig auf einen Strohhalm niedersetzte. Als die beiden fremden Männer den Daumesdick erblickten, wussten sie nicht, was sie vor Verwunderung sagen sollten. Da nahm der eine den andern beiseit und sprach „hör, der kleine Kerl könnte unser Glück machen, wenn wir ihn in einer großen Stadt vor Geld sehen ließen: Wir wollen ihn kaufen.“ Sie gingen zu dem Bauer und sprachen „verkauft uns den kleinen Mann, er solls gut bei uns haben.“ „Nein,“ antwortete der Vater, „es ist mein Herzblatt, und ist mir für alles Gold in der Welt nicht feil.“ Daumesdick aber, als er von dem Handel gehört, war an den Rockfalten seines Vaters hinaufgekrochen, stellte sich ihm auf die Schulter, und wisperte ihm ins Ohr „Vater, gib mich nur hin, ich will schon wieder zurück kommen.“ Da gab ihn der Vater für ein schönes Stück Geld den beiden Männern hin. „Wo willst du sitzen?“, sprachen sie zu ihm. „Ach, setzt mich nur auf den Rand von eurem Hut, da kann ich auf und ab spazieren und die Gegend betrachten, und falle doch nicht herunter.“ Sie taten ihm den Willen, und als Daumesdick Abschied von seinem Vater genommen hatte, machten sie sich mit ihm fort. So gingen sie bis es dämmerig ward, da sprach der Kleine „hebt mich einmal herunter, es ist nötig.“ „Bleib nur droben“, sprach der Mann, auf dessen Kopf er saß, „ich will mir nichts draus machen, die Vögel lassen mir auch manchmal was drauf fallen.“ „Nein“, sprach Daumesdick, „ich weiß auch, was sich schickt: hebt mich nur geschwind herab.“ Der Mann nahm den Hut ab, und setzte den Kleinen auf einen Acker am Weg, da sprang und kroch er ein wenig zwischen den Schollen hin und her, dann schlüpfte er plötzlich in ein Mausloch, das er sich ausgesucht hatte. „Guten Abend, ihr Herren, geht nur ohne
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