Das grosse Muminbuch
Bei jedem Schritt, den Mumintroll machte, flogen die Schatten auf und tanzten ihm an den Wänden etwas vor. Es war zu schön, als dass er sich furchten konnte.
Mumintroll ging nach unten, Schritt für Schritt. Er hielt die Laterne sehr fest, und sie half ihm bis nach unten in den weichen Lehm des Leuchtturmbodens. Die Tür knarrte wie sie es immer tat, sie war schwer. Und nun stand er draußen auf dem Berg, und die Insel nahm ihn im kalten und unwirklichen Mondschein in Empfang.
Wie aufregend das Leben ist, dachte Mumintroll. Alles kann eben genau umgekehrt sein - ohne Ursache. Die Treppe wird plötzlich wundersam, und die Lichtung wird etwas, woran ich nicht mehr denken will. Es wird nur so, man weiß nicht wie.
Er hielt den Atem an, während er ging - über den Berg, hinab in die Heide, durch den kleinen Espenwald. Die Bäume waren jetzt ruhig, es war nicht windig. Dann verlangsamte er seine Schritte und lauschte. Am Sandstrand war es ganz still.
Vielleicht erschrecke ich sie, dachte Mumintroll und bückte sich, um das Sturmlicht auszulöschen. Was es hier nachts gibt, ist sicher sehr scheu. Eine Insel, die nachts lebt, ist vorsichtig.
Nun war das Licht ausgelöscht, und die Insel kam sofort näher. Er spürte sie von der einen Landzunge zur anderen, sie war unbeweglich im Mondschein und sehr nahe. Er hatte keine Angst, er lauschte nur.
Dann kam das stampfende Geräusch von Schritten wieder. Hinter den Espen lief jemand im Sand, lief hin und her, hinaus ins Wasser, es plätscherte, und weißer Schaum flog auf ...
Dort waren sie. Die Seepferde, seine Seepferde. Nun war alles klar. Das silberne Hufeisen, das er im Sand gefunden hatte, der Wandkalender mit der hohen, aufsteigenden Welle, dort wo der Mond seinen Fuß eintauchte, ein Ruf, den er vernommen hatte, während er schlief. Mumintroll blieb zwischen den Espen stehen und sah, wie die Seepferde tanzten.
Sie liefen hin und zurück über den Sand, mit erhobenem Kopf und fliegenden Haaren, die Schwänze flössen hinter ihnen in langen leuchtenden Wogen. Sie waren unbeschreiblich schön und behend, und sie wussten es. Sie kokettierten ohne Hemmung und ganz selbstverständlich - vor einander, für einander, für sich, für die Insel oder das Meer, ganz gleich wofür. Zuweilen machten sie einen plötzlichen Satz ins Wasser hinaus, das hochspritzte und im Mondschein Regenbögen warf. Dann liefen sie durch ihre eigenen Regenbögen hindurch und zurück, sie machten einander Augen und beugten die Köpfe, um die Kurve über Hals und Rücken zum Schwanz hin hervorzuheben. Es schien, als tanzten sie vor einem Spiegel.
Jetzt standen sie still, rieben ihre Leiber gegeneinander, während sie ganz deutlich nur an sich selbst dachten, beide waren in grauen Samt gekleidet, man sah, dass er weich und warm war und nicht nass werden konnte. Vielleicht war er sogar geblümt.
Während Mumintroll sie betrachtete, geschah etwas Lustiges, was vielleicht ganz natürlich war. Ihm kam plötzlich der Gedanke, dass auch er hübsch war. Er fühlte sich leicht, verspielt und überlegen. Er lief hinab ans Ufer und rief, was für ein Mondschein! Und so warm! Man möchte ja fliegen!
Die Seepferde scheuten, bäumten sich auf und galoppierten wild davon. Sie flogen an ihm vorbei mit aufgerissenen Augen und die Mähnen strömend wie Wasser. Die Hufe trommelten aufgeregt, aber man wusste dennoch, alles war Spiel. Mumintroll wusste, dass sie Erschrecken spielten, und dass sie das genossen, aber er wusste nicht, ob er Beifall klatschen oder sie beruhigen sollte. Er wurde wieder klein und dick und plump, und gerade als sie an ihm vorbei und ins Meer liefen, schrie er, Ihr seid so schön! Ihr seid so schön! Geht nicht weg!
Das Wasser spritzte hoch, der letzte Regenbogen sank, und das Ufer war leer.
Mumintroll setzte sich in den Sand und wartete. Er war sicher, dass sie zurückkommen würden, sie mussten zurückkommen, wenn er nur Geduld zum Warten hatte.
Die Nacht wurde immer länger, und der Mond sank.
Vielleicht wollten sie gern ein Licht am Strand haben, ein Licht, das sie wieder herlockte zum Spielen.
Mumintroll zündete die Sturmlaterne an. Er stellte sie vor sich in den Sand, und er starrte ununterbrochen hinaus auf das dunkle Wasser. Nach einer Weile stand er auf, nahm die Laterne und begann sie langsam hin- und herzuschwenken. Es war ein Signal. Er versuchte an freundliche, beruhigende Dinge zu denken. Er schwenkte das Licht hin und her, er hatte sehr sehr viel
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