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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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Geistlichkeit der Lächerlichkeit preis.
    »Siehst du«, lächelte John Law, als er von seinem Sohn gestützt auf die vielen Menschen hinunterblickte, »als ich zum ersten Mal mit deiner Mutter hier war, gab es nur wenige Kostüme. Alles war streng reglementiert, als wolle man verhindern, dass die Welt aus den Fugen gerät. Und heute? Die Masken sind geblieben. Aber unter jeder Maske kann sich verbergen, wer will.«
    John Law lachte leise vor sich hin. Sein Sohn verstand seinen Vater nicht ganz. Er hörte auch nicht richtig hin. Er war sehr besorgt, war bemüht zu verhindern, dass sich sein Vater noch schlimmer erkältete.
    Am Abend, als John Law im Bett lag, stieg das Fieber wieder an. Sein Sohn ließ erneut nach dem Arzt rufen. In der Nacht kam der Priester. Der Sohn sagte mit Tränen in den Augen, dass ei nicht nach einem Priester verlangt habe. Der Priester nickte verständnisvoll und murmelte, dass Paris ihn geschickt habe, um einem großen Mann die letzte Ehre zu erweisen.
    »Ich werde Ihrem Vater jetzt die Beichte abnehmen, wenn Sie uns so lange entschuldigen wollen.«
    »Nein«, flüsterte John Law und suchte nach der Hand seines Sohnes, »ich habe nichts zu beichten.«
    Der Priester beugte sich über John Law und flüsterte ihm ins Ohr: »Wo ist der Schatz, Monsieur? Bringen Sie Ihr Leben in Ordnung und verraten Sie der Kirche, wo Sie das Silber gehortet haben.«
    »Ich habe nichts, Monsieur. Ich erbitte nur noch den Tod«, keuchte John Law mit schwacher Stimme. Sein Sohn nahm die Hand seines Vaters, hielt sie an seine Brust und drückte sie fest. Er spürte, dass es jeden Moment vorbei sein würde, und fürchtete sich vor der gähnenden Leere, die ihn heimsuchen und in untröstliches Leid stürzen würde.
    »Es müssen Millionen an Silber-Ecus sein, Monsieur, irgendwo versteckt, versuchen Sie sich zu erinnern«, insistierte der Priester.
    »Mit meinem Tod befreie ich meine Familie von diesem grässlichen Fluch«, keuchte John Law.
    Als der Priester erneut auf John Law einreden wollte, sprang der junge John auf, packte den Priester unsanft am Oberarm und zerrte ihn aus dem Zimmer. Dann stieß er ihn auf den Gang hinaus. Dort stand schon ein Dutzend Menschen herum.
    »Hat er es verraten?«, fragte einer. Ein anderer versuchte sich vorzudrängen. Er hatte ein verstümmeltes Ohr, und er schnaubte, dass man ihn unbedingt zu diesem Schotten vorlassen müsse.
    John schlug die Tür zu und schloss sie mit dem Schlüssel ab. Er setzte sich neben seinen Vater und strich ihm liebevoll über den fiebrig heißen Kopf.
    »Ich habe ihn weggeschickt«, flüsterte der Sohn leise.
    John Law schlug die Augen wieder auf und lächelte: »Sind wir jetzt allein?«
    »Ja, Vater.«
    »Sei nicht traurig, John. Solange ich lebe, wird mir und meiner Familie keine Gerechtigkeit widerfahren. Nur mein Tod kann die Sache beenden. Es ist deshalb gut, wenn ich sterbe, John. Ich sterbe gern. Sag deiner Mutter, dass ich gern gestorben bin. Sag Catherine, dass ich mit meinem Tod den Fluch tilge, den ich über meine Familie gebracht habe. Und vergiss den Stock nicht. Non obscura nec ima.«
    Die Worte hatten John Law erschöpft. Die Atmung wurde hektischer, schneller. Der alte Mann bäumte sich kurz auf. Dann entwich ein langes Seufzen seiner Brust. Die Atmung flachte ab. John Law umfasste nochmals die Hand seines Sohnes. Er hörte ihn sagen, dass er sein bester Freund gewesen sei. Er konnte ihn nur noch verschwommen erkennen. Er hörte die Klänge des Karnevalsumzugs, der draußen auf der Piazza San Marco vorbeizog. Er versuchte nochmals die Augen zu öffnen, doch er sah nur noch den milchig weißen Nebel, der sich über das Gesicht seines Sohnes legte. Er hatte das Gefühl, unendlich tief zu fallen. Und dann holte ihn der Nebel ein. Er glaubte, den Anlegeplatz der Gondolieri zu erkennen. Die Anlegepfosten trugen das Familienwappen der Longhenas. Er zögerte nicht, die Gondel zu besteigen. Er wusste, dass es gut war. Der Gondoliere winkte ihm langsam zu. Er trug ein Kostüm aus schwarzer Seide und die Maske des Pestarztes, die Maske des Todes. Er reichte dem Gondoliere eine Goldmünze unc setzte sich auf die rot gepolsterte Sitzbank. Der Gondoliere stieg auf den hinteren Teil der Gondel und ergriff bedächtig das Ruder mit dem gerillten Blatt. Fast lautlos stieß er vom Ufer ab. In der Ferne formte sich noch dichterer Nebel. John Law glaubte, in der Ferne eine Brücke zu erkennen. Aber da war keine Brücke. Da war nur ein dunkler endloser

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