Das Grosse Spiel
meine Trainingssitzungen beobachten. Sie können sehen, woran ich arbeite. Sie scheinen für alles bereit zu sein, was ich mache.«
»Das meiste von dem, was du siehst, sind Computersimulationen«, sagte Mazer. »Der Computer ist programmiert, erst auf deine Neuerungen zu reagieren, nachdem du sie einmal in der Schlacht verwendet hast.«
»Dann mogelte der Computer.«
»Du brauchst mehr Schlaf, Ender.«
Aber er konnte nicht schlafen. Jeden Abend lag er länger und länger wach, und sein Schlaf war weniger erholsam. Er erwachte zu oft in der Nacht. Ob er aufwachte, um mehr über das Spiel nachzudenken oder um seinen Träumen zu entkommen, dessen war er sich nicht sicher. Es war, als suchte ihn jemand heim in seinem Schlaf und zwänge ihn, durch seine schlimmsten Erinnerungen zu streifen, wieder in ihnen zu leben, als seien sie real. Die Nächte waren so real, daß die Tage ihm allmählich wie Träume vorkamen. Er begann sich Sorgen zu machen, daß er nicht klar genug denken, daß er zu müde sein würde, wenn er spielte. Immer, wenn das Spiel begann, weckte ihn dessen Intensität auf, aber er fragte sich, ob er es bemerken würde, wenn seine geistigen Fähigkeiten nachzulassen begannen.
Und er schien nachzulassen. Es gab nie wieder eine Schlacht, in der er nicht wenigstens ein paar Jäger verlor. Mehrere Male gelang es dem Feind, ihn dazu zu verleiten, mehr Schwäche zu offenbaren, als er vorhatte; bei anderen Gelegenheiten brachte der Feind es fertig, ihn durch Zermürbungen abzunutzen, bis sein Sieg ebensosehr eine Frage des Glücks wie der Strategie war. In solchen Fällen pflegte Mazer das Spiel mit einem Ausdruck von Verachtung auf seinem Gesicht durchzugehen.
»Sieh dir das an«, pflegte er zu sagen. »Das hättest du nicht tun müssen.« Und Ender machte sich wieder mit seinen Führern ans Training. Er versuchte, ihre Moral hochzuhalten, aber manchmal ließ er sich seine Enttäuschung anmerken angesichts ihrer Schwächen, der Tatsache, daß sie Fehler machten.
»Manchmal machen wir Fehler«, flüsterte ihm Petra einmal zu. Es war ein Hilferuf.
»Und manchmal nicht«, entgegnete Ender ihr. Wenn sie Hilfe bekam, würde es nicht von ihm sein. Er würde lehren; sollte sie ihre Freunde unter den anderen finden!
Dann kam eine Schlacht, die beinahe in einer Katastrophe endete. Petra führte ihre Einheiten zu weit; sie waren exponiert, und sie entdeckte es in einem Augenblick, als Ender nicht bei ihr war. In nur wenigen Augenblicken hatte sie bis auf zwei alle ihre Schiffe verloren. Dann fand Ender sie, befahl ihr, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen; sie antwortete nicht. Es erfolgte keine Bewegung. Und in einem Augenblick würden diese beiden Jäger ebenfalls verloren sein.
Ender wußte sofort, daß er sie zu hart angetrieben hatte - aufgrund ihrer Brillanz hatte er sie im Spiel viel zu oft und unter erheblich schwierigeren Umständen als die meisten anderen beansprucht. Aber er hatte jetzt keine Zeit, sich Petras wegen Gedanken zu machen oder sich wegen dem, was er ihr angetan hatte, schuldig zu fühlen. Er befahl Crazy Tom, die beiden übrigen Jäger zu übernehmen, dann machte er weiter und versuchte, die Schlacht zu retten; Petra hatte eine Schlüsselposition besetzt gehalten, und jetzt fiel Enders gesamte Strategie auseinander. Wenn der Feind nicht zu eifrig und ungeschickt bei der Ausnutzung seines Vorteils gewesen wäre, hätte Ender verloren. Aber Shen schaffte es, eine Feindgruppe in zu dichter Formation zu erwischen, und erledigte sie mit einer einzigen Kettenreaktion. Crazy Tom brachte seine beiden überlebenden Jäger durch die Lücke herein und verursachte schwere Verwüstungen beim Feind, und obwohl seine Schiffe und auch die Shens schließlich zerstört wurden, gelang es Fliege Molo, aufzuräumen und den Sieg vollkommen zu machen.
Am Ende der Schlacht versuchte Petra, ein Mikrophon zu erwischen, und er konnte sie rufen hören. »Sagt ihm, es täte mir leid, ich war einfach so müde, ich konnte nicht denken, das war alles, sagt Ender, es täte mir leid.«
Während der nächsten paar Trainingsstunden war sie nicht da, und als sie schließlich doch wieder zurückkam, war sie nicht mehr so schnell wie zuvor, nicht mehr so wagemutig. Vieles von dem, was sie zu einem guten Kommandanten gemacht hatte, war verlorengegangen. Ender konnte sie nicht mehr gebrauchen, außer bei routinemäßigen, straff überwachten Aufgaben. Sie war kein Narr. Sie wußte, was passiert war. Aber sie wußte auch,
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