Das große Wawuschel-Buch
Erinnerung zurück: Das Eisenbahndings! Der verschwundene Wuschel! Wie der Mamoffel aus dem Baum gesprungen und der Vater in die Fuchsfalle geraten war! Und die Korkse! Und die Kirkse! Und die hellen Lichter!
»Drache!«, rief sie. »Drache, wach auf! Wir müssen Wuschel suchen!«
Der Drache blinzelte genauso verwirrt, wie Wischel kurz vorher geblinzelt hatte. Ein paar kleine schwarze Wölkchen dampften aus seiner Nase.
»Wo sind wir? Warum riecht es hier nicht nach Marmelade?«
Denn obwohl der Drache nie ein Kleckschen Marmelade aß, so roch er sie doch für sein Leben gern. Das Erste, was er jeden Morgen tat, war schnuppern. Auch jetzt schnupperte er und es beunruhigte ihn, dass es nur Moos und Tannenzapfen zu riechen gab.
»Aber Drache«, rief Wischel. »Wir suchen doch Wuschel. Erinnerst du dich nicht? Denk an die Korkse!«
»Ach ja, und die Kirkse«, fauchte der Drache. »Jetzt fällt mir alles wieder ein. Ach, wie gut habe ich geschlafen! Darf ich zum Frühstück ein wenig Marmelade schnuppern?«
Da merkte Wischel, wie hungrig sie war. Gestern Abend hatte sie nichts essen können vor Müdigkeit. Deshalb holte sie schnell eins der beiden Töpfchen mit Marmelade aus dem Rucksack, die die Wawuschelmutter eingepackt hatte. Himbeermarmelade! Der Drache durfte daran schnuppern, dreimal drei Nasen voll. Dann aß Wischel alles auf, ratzekahl, bis zum letzten Rest.
»Hm, das duftet«, fauchte der Drache glücklich.
»Hm, das schmeckt«, seufzte Wischel zufrieden.
Beide hatten sich neuen Mut angegessen und angerochen. Nun konnten sie weitergehen.
Vor ihnen lag die Wiese, eine große, bunte Wiese mit Butterblumen und rotem Klee. Aber obwohl die Sonne so hell schien, fühlte Wischel, wie ihr die Angst durch den Körper kroch. Bis jetzt hatte sie nur den Wald gekannt, den Wald mit Büschen, Unterholz und Farnkraut. Wo sollte sie sich hier auf der offenen Wiese verstecken, wenn plötzlich Gefahr drohte?
»Setz dich auf meinen Rücken«, fauchte der Drache, »dann fliegen wir.«
Das wollte Wischel erst recht nicht. Wenn sie durch die Luft flogen, konnte man sie schon von Weitem sehen.Viel zu gefährlich! Lieber machte sie sich so klein wie möglich und marschierte quer durch die Wiese.
Das heißt, marschieren ist nicht der richtige Ausdruck. Wischel ging sehr vorsichtig, Schritt für Schritt, und hielt dabei nach allen Seiten Ausschau. Aber sie konnte nichts Bedrohliches entdecken.
»Wir haben Glück, Drache«, sagte sie, was diesmal ausnahmsweise stimmte. Denn die Wiese war eigentlich eine Kuhweide. Hätte der Bauer seine Kühe nicht zufällig auf eine andere Wiese getrieben, wäre es Wischel womöglich schlecht ergangen. Niemand weiß, was eine Kuh tut, die friedlich vor sich hin grast und unvermutet ein Wawuschelmädchen mit grünen Haaren vor dem Maul sieht. Frisst sie es auf vor Schreck? Oder trampelt sie wie wild im Kreis herum? Nicht auszudenken! Nein, wahrhaftig, Wischel hatte Glück, wenn sie auch nicht genau wusste, wieso. Sie war ja noch nie einer Kuh begegnet.
Nachdem Wischel und der Drache die Wiese ohne Zwischenfälle durchquert hatten, kamen sie auf eine breite Straße. Auch eine Straße hatte Wischel bis jetzt noch nicht gesehen. Neugierig betrachtete sie den harten Boden, vorsichtig setzte sie einen Fuß auf den Asphalt.
»Man kann darauf laufen, Drache«, sagte sie. »Komm!«
Sie fing an, über die Straße zu marschieren. Diesmal marschierte sie wirklich, mit viel mehr Mut als vorher. Bis jetzt war alles gut gegangen. Sicher würde es auch weiter gut gehen.
Das dachte Wischel und wieder einmal dachte sie verkehrt. Denn natürlich hatte sie keine Ahnung, wozu esStraßen gibt und dass die Menschen außer ihren großen Füßen auch noch Autos haben. Da kam auch schon eins! Ein großes Auto, ein schnelles Auto, ein Auto mit riesigen Glotzaugen. Es raste um die Kurve und Wischel blieb keine Zeit zum Davonlaufen. Ihr blieb nicht einmal Zeit zum Denken. Sie schlug nur die Hände vors Gesicht und warf sich zu Boden. Das war ihr Glück! Sie lag genau zwischen den beiden Vorderrädern und das Auto rollte über sie hinweg, ohne sie zu berühren. Nur den Drachen, der etwas abseits stand, erwischte es. Sein Schwanz wurde ihm platt gefahren! Kein schlimmer Unfall, denn Drachenschwänze sind haltbar und erholen sich schnell. Aber immerhin, es tat weh.
»Huhuhu!«, heulte der Drache. »Huhuhu! Mein armer Schwanz! Huhuhu!«
Wischel lag noch auf der Erde, starr und steif vor Entsetzen. Erst als sie den
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