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Das gruene Gewissen

Das gruene Gewissen

Titel: Das gruene Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Moeller
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erneuerbaren Energien führen könnte –, sondern damit verbunden auch das wissenschaftliche Engagement infrage stellen. Denn der Glaube, ein genaues Zukunftsschema zu besitzen und Technologiepfade daher auch wissenschaftlich zu beerdigen, kann trügerisch sein, wie viele Beispiele zeigen.
    Die CCS-Technologie wird nun andernorts weiterentwickelt und genutzt. Die weltweit größte Erprobungsanlage für die Abtrennung von CO 2 aus Industrieabgasen wurde im Mai 2012 eröffnet. Sie steht in Mongstad in Norwegen, obwohl dort anders als in Brandenburg die unterirdischen Speichermöglichkeiten fehlen. Und doch sieht man das Projekt als eine Art „Mondlandung“. Auch in China gehen die Versuche mit hohen Investitionen weiter. Es sind Liebeserklärungen der ganz anderen als uns Deutschen vertrauten Art an Technik.
Zurück nach Berlin
    Ich habe seit diesem Tag noch häufiger an unseren Führer im Lausitzer Tagebau denken müssen, einen Typ wie aus Volker Brauns Roman Machwerk oder das Schichtbuch des Flick von Lauchhammer . Für ihn war die Natur kein Ort des Rückzugs und der Besinnung. In ihm lebte der alte Plan fort, die Natur als einen Steinbruch menschlicher Bedürfnisse zu begreifen. Er sagte leise, dass Leute wie ich immer mit einer bestimmten Meinung kämen, meistens keiner guten. Er wirkte wie in der Defensive. Dabei rückte er seinen gelben Helm mit dem Logo seines Unternehmens zurecht, als wäre er ein Ritter, der das Visier für den nächsten Lanzengang richtet.
    Ich weiß nicht, ob ich alles von dem, was er mir sagte, verstand. Ich lauschte einfach dem Klang seiner Stimme und sah auf seine linke Hand, die er beim Reden die ganze Zeit in der Tasche versteckte, als wäre sie nicht echt, während die rechte mitsprach. Wir gingen noch ein Stück zur Kantine der Arbeiter, einem jener typischen Industrieflachbauten mit Glasmosaik. Es war eine Kulisse wie aus dem DEFA-Film Spur der Steine . Man konnte sich das Gesicht des jungen Manfred Krug vorstellen, von Hannes Balla, jenem aufmüpfigen Zimmermann auf einer Großbaustelle des Sozialismus, der sich seine eigene Ordnung schafft und sich am Ende wegen der Liebe zu einer Frau doch dem neuen Dreischichtensystem des Parteisekretärs fügt. Der Film beginnt und endet mit einer Aussprache in einer solchen Baracke.
    Die Schweden saßen bereits im Bus. Der Tagebau-Mann zog an seiner Zigarette und sagte mit ernstem Gesicht, dass die Menschen in dieser Gegend seit zweihundert Jahren mit der Kohle lebten und dass, wenn die Kohle nicht mehr sei, es hier gar nichts mehr gebe. Die Hornoer hätten das Umsiedlungsangebot darum gern angenommen, zumindest einige. Moderne Wohnungen hätten sie bekommen und eine Abfindung. Mehr als zwanzigtausend Menschen, schätzt man, mussten den Kohlebaggern insgesamt weichen. Die Szene hätte auch irgendwo anders spielen können, im Saarland oder im Ruhrgebiet, denn sie gehört zur Geschichte einer evolutionären Technik und des Sterbens vieler Branchen.
    Ich stieg ins Auto und schloss die Tür. Im Radio lief ein Lied aus den achtziger Jahren, das ich aus der ersten Generation des Musikfernsehens kannte. Es fügte sich zur vorbeiziehenden Landschaftwie ein Videoclip . Natur und Technik waren im Einklang. Der aufgeweichte Weg war in eine Landstraße gemündet, die irgendwann zur Bundesstraße wurde. Und dann zur Autobahn in Richtung Norden, in Richtung Berlin. Nach Hause.
    Ich sah Hochspannungsleitungen und Windparks und dachte daran, dass man die Kraftwerksblöcke in Schwarze Pumpe und Jänschwalde herunterfahren musste, wenn der Wind blies, auch jetzt im Winter. Irgendwann würde das Frühjahr kommen und mit ihm das Licht und die Wärme. Vielleicht konnte man nirgendwo besser beobachten als in Brandenburg, wie der Mensch die Natur verändert hatte, ohne ihren Gesetzen zu entkommen. Man stieß allerorten auf Artefakte und die Insignien einer Landnahme. Der menschenleere Naturraum: Er war immer schon ein Experimentierfeld der Technik. Im Guten wie im Schlechten.

Von Rheinsberg nach Philippsburg – oder: Das kurze lange Ende der Kernkraft
    Es war im April, und die Straße lag noch im Schlummer. Nie konnte ich vor Tagen wie diesen durchschlafen. Die Ungeduld ließ mich vor der Zeit wach werden. Ich blickte hoch zu den Fenstern, ob jemand das Tuckern des Motors hörte. Dann kurbelte ich das Schiebedach auf und legte den Gang ein. Die Leute neben mir an der Ampel starrten mit leeren Gesichtern auf die Fahrbahn. Wer jetzt unterwegs war, kam aus der

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