Das gruene Gewissen
Dreißigjährigen Krieg und alle sangen zusammen Du kära gran , Oh Tannenbaum . Und man sprach über die Möglichkeiten der Energieversorgung daheim in Schweden.
Ungeachtet des Vorfalls im Kernkraftwerk Forsmark hatte Schweden – das vielen Deutschen nicht nur als ein Musterland des Designs und individualistischer Marken wie Saab, Volvo oder Fjällräven gilt, sondern auch des Lebens im Einklang mit der Natur – seinen Ausstiegsbeschluss aus der Kernenergie wieder rückgängig gemacht. Gut die Hälfte des Stroms gewinnen die Schweden bis zum heutigen Tag aus Kernenergie, und sie rüsten die Kraftwerke mit leistungssteigernden Komponenten nach. Die andere Hälfte kommt aus Wasserkraft, jener im Vergleich zur Windkraft so kostbaren, weil grundlastfähigen erneuerbaren Energiequelle, die auch in Norwegen, in Österreich und der Schweiz genutzt wird, in Deutschland aber kaum zur Verfügung steht.
Wie sehr sich der Umgang mit der Natur gewandelt hatte, wie Nutzdenken etwa am Beispiel der Holz- und Möbelindustrie die mythische und Identität stiftende Dimension der Natur längst verdrängt hatte, erfuhr ich durch den Hinweis auf ein Buch, das die schwedische Schriftstellerin Kerstin Ekman schrieb. Es hieß Der Wald und musste auch für die Deutschen von Interesse sein.
In der Lausitz hatte es diesen Blick auf die Natur immer schon gegeben. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde hier Kohle abgebaut. Die meisten der Tagebaue existieren heute nicht mehr, sie wurden nach ihrer Nutzung rekultiviert. Es gibt nur noch eine Handvoll dieser Gruben, von denen Welzow Süd eine der besonders beeindruckenden ist: 750 Millionen Tonnen Kohle sollen allein hier lagern, 1,3 Milliarden Tonnen sind es in der gesamten Lausitz. Bis zu 80 Milliarden Tonnen werden deutschlandweit von Wissenschaftlern vermutet. Sie könnten der Rohstoff für eine Nation sein, die unabhängiger vom Import werden will, die europaweit zugleich an zweiter Stelle beim Emittieren von Kohlendioxid liegt.
„Uns erreichen viele Anfragen“, hatte der Betreuer der Reisegruppe mit dem kantigen Gesicht gesagt, als ich mit Dreck an den Stiefeln zurück in den Bus stieg, der uns vom Tagebau zum Besucherzentrum brachte. „Vor allem zum Klimaschutz oder der Umsiedlung ganzer Dörfer.“ Er meinte die Gemeinde Horno, ein sorbisches Dorf, das dem Bagger weichen musste. Und er meinte eine neue Technologie, gegen die sich überall in Deutschland Widerstand formierte.
Ganz tief im Boden
Dass Kraftwerke sich optisch verjüngen, sagt noch nichts über das ramponierte Image von Anlagen aus. Es ist eine Frage des Designs. Nicht anders als die Auspuffrohre und Zylinder alter Motorräder verbirgt man das Innere heute vollständig vor dem Auge des Betrachters, und das nicht einmal aus Gründen der Industriespionage. Früher sah man beim Blick auf die Werke, dass hier gearbeitet wurde, dass beim Hobeln im sprichwörtlichen Sinne auch Späne fielen. Es rauchte und zischte, Werkssirenen tönten, Lautsprecher waren zu hören, man erkannte Schornsteine und Öfen. Heutzutage ist alles verkapselt und in weiße oder aluminiumfarbene Behälter verkleidet. Permanent werden Daten während der Prozesse gemessen. Die Technik hat sich dem Blick entzogen und sich ein freundliches Antlitz gegeben.
Auch das Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe sah darum mittlerweile wie eine Hightech-Anlage aus. Und in gewisser Weise war sie das auch, denn Vattenfall hatte Ernst gemacht mit dem Kürzel „CCS“ und ausgerechnet im vermeintlich hinterwäldlerischen Brandenburg das erste experimentelle Kraftwerk mit CO 2 -Abscheidung gebaut: Carbon Capture and Storage . Schwarze Pumpe war neben dem unweit nordwestlich von Berlin gelegenen Ketzin, wo das verflüssigte Gas zu Forschungszwecken 700 Meter tief in die Erde verpresst wird, eines der Versuchslabore dieser neuen Technik, die bei den Deutschen nie auf Gegenliebe gestoßen ist. Bei ihr ging es nicht nur um den Beweis der technischen Möglichkeit einer Abspaltung, sondern auch um einen Schritt in einer vielleicht lang reichenden Technologiekette: So soll CCS für Prozessemissionen etwa in der chemischen Industrie eingesetzt und Kohlendioxid als Rohstoff genutzt werden können.
Anlass, entsprechende Versuche zu unternehmen, gibt es zuhauf. Weltweit, dies unterstreicht der letzte World Energy Outlook, ist die Kohle wie erwähnt auf dem Vormarsch. In Indien und China wachsen die Kohleimporte aufgrund der rasant gestiegenen Energienachfrage jährlich im
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