Das gruene Gewissen
unterliegen, die den Wechsel zwischen teilweise extremen Wärme- und Kälteperioden in vergangenen Zeiten erklären, als es noch keinen menschlichen Einfluss auf das Klima unseres Planeten gab.
„Stabilität gibt es in der Natur nur über bestimmte, eher kurze Zeiträume“, schreibt er in einer aktuellen Publikation, und seineWorte lassen sich auf den Glauben an die Nicht-Wandelbarkeit der Wälder übertragen, „nie aber auf Dauer. Ein langfristig stabiles System können Naturwissenschaftler der Gesellschaft und der Politik daher nicht versprechen, denn es wäre ein Versprechen, das einer wissenschaftlichen Grundlage entbehrt.“ 125 Er und andere setzen neben der weltweiten „Mitigation“ daher auch auf kurzfristige regionale Anpassungsmaßnahmen. 126
So bestätigt die Klimaforschung mittlerweile, dass die Natur nur kurzfristig stabile Perioden kennt. Sie unterliegt Schwankungen, auch ohne unser Zutun, was wissenschaftspolitisch von ebenso hoher Brisanz ist wie die Anpassungsmaßnahmen; können diese doch als Eingeständnis interpretiert werden, sich dem Gegebenen fügen zu wollen, es nur lokal in seinen Wirkungen zu lindern. Die Maßnahmen gegen den Ausstoß von Klimagasen verlieren dadurch jedoch nichts von ihrer Berechtigung. Denn sie tragen dem Fakt Rechnung, dass neben einer Eigendynamik der Natur der Mensch durch seinen Lebensstil deutlich zu diesem Wandel beigetragen hat. Er ist zu einem evolutionären Faktor geworden. Und doch wäre es kultur- wie naturgeschichtlich betrachtet Hybris zu behaupten: dem einzigen.
Was hat das mit Wäldern zu tun? Hüttl sagt damit offen, was viele denken: dass Klimamodelle das komplexe System nicht adäquat abbilden können. Und dass wir uns in unserem Naturbild grundsätzlich auf etwas einstellen müssen, was der Münchner Ökologe Joseph H. Reichholf als „stabile Ungleichgewichte“ bezeichnet hat.
Bereits der Pflanzengeologe Hansjörg Küster hat vor einigen Jahren eine ganz ähnliche Richtung beschritten. Er beschrieb die Geschichte des Waldes als die eines permanenten natürlichen Wandels, den nur unsere Vorstellung einer „Unwandelbarkeit“ von mythisch überhöhten Naturgütern nicht wahrhaben will. 127 Er ging sogar noch einen Schritt weiter und sagte, dass gerade dieser Wandel, vor dem wir uns häufig ängstigen, den Wert der Natur ausmache – und zukünftig ausmachen wird. Für ihn sindWälder kein Beweis für die Unumkehrbarkeit der natürlichen Phänomene. Vielmehr zeigen sie uns, welchen Veränderungsprozessen Natur ohne uns immer wieder unterlegen hat und wie verschiedenartig sie regional ausgeprägt waren und landschaftliche Identität schufen. Ursächlich dafür waren auch klimatische Unterschiede. Insofern könne man Landschaften nur dann schützen, wenn man sich der regionalen Dynamik bewusst werde und sie als natürlichen Prozess begreife.
Wenn der Wald stirbt
Hüttl war auch einer der ersten Kritiker einer einseitigen Waldsterbenshypothese in den achtziger Jahren, die nicht weniger emotional als die Klimadebatte diskutierte wurde. Die Hypothese, die Sauren Regen als Hauptursache für das Sterben von Nadelgehölzen in den Wäldern einiger Mittelgebirgsstandorte ausmachte, habe es aufgrund der besonderen Bedeutung des Themas Wald in Deutschland vergleichsweise leicht gehabt, zu einem nationalen Thema zu werden, glaubt er. Sie bewirkte vor allem ein Gefühl massenhafter Verletzlichkeit, konnte man doch unmittelbar nichts dagegen tun, dass die Natur starb – eine Erwartung, die im Fall der Kernenergie wie erwähnt durch die Wiederbewaffnung und die Ahnung einer Katastrophe der ganz anderen Art unterstützt wurde. Es war eine bleierne Zeit, ein bedrückendes Lebensgefühl.
Bereits 1981 hatte der Spiegel seine Titelgeschichte Der Wald stirbt veröffentlicht, in der der Göttinger Bodenkundler Bernhard Ulrich erstmalig gestützt auf modellbasierte Annahmen prophezeite, dass die großen deutschen Wälder nicht mehr zu retten seien. Dem deutschen Wald ging es damals schlecht, allerdings wegen ganz verschiedener Einflüsse, die sich regional unterschiedlich darstellten. Das Schwefeldioxid, das heute in industriellen Verfahrensprozessen abgetrennt wird, war beispielsweise im Harz und in Hochlagen des Fichtelgebirges ein Problem. Im Schwarzwald hingegen machte ein neuartiger Magnesiummangel den Bäumen zu schaffen, ohne dass Schwefelemissionen in vergleichbarer Weise beteiligt waren. Das Wachstum der Wälder selbst war jedoch nicht gefährdet, im
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