Das gruene Gewissen
wenn es um Wälder ging. Es soll heute wie damals Menschen geben, die den Anspruch auf einen Tannenbaum an Weihnachten für verwerflich halten.
Wenn man die Struktur des deutschen Waldvorkommens betrachtet, zeigt sich zunächst, dass dieses Gefühl aus dem puren Vorhandensein von Wald erwachsen kann, der den Deutschen nachbarschaftlich begegnet. Deutschland ist eines der waldreichsten Länder in Europa, knapp ein Drittel seiner Fläche ist mit Wald bedeckt, wobei mehr als die Hälfte des Waldes in Deutschland in privater oder kommunaler Hand ist. Der Empfang der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände im Rahmen der Grünen Woche auf Einladung seines Vorsitzenden Phillip von und zu Guttenberg, dem jüngeren Bruder des ehemaligen CSU-Spitzenpolitikers, zeigt, wem der deutsche Wald gehört: dem Fürst zu Fürstenberg in Donaueschingen, dem Herzog von Bayern, der Familie von Thurn und Taxis. Ansonsten sind die privaten Waldbesitzungen auf viele Einzelbesitzer aufgeteilt. Auch die Kirchen spielen eine unverändert große Rolle. Wald und alter Einfluss gehen nicht anders als in der Landwirtschaft Hand in Hand.
Dank des Föderalismus, dank der mittelalterlichen Struktur und der vielen Geschlechter von „Raubvögeln“, wie Heinrich Heine den Adel in seiner Harzreise nannte, haben sich viele Wälder erhalten können und fielen anders als etwa in Frankreich nicht der Rodung für die Landwirtschaft zum Opfer: Sie blieben bestehen als Jagdreviere der lokalen Eigentümer, die über die Nutzung der Wälder, über den Bestand der Forsten, deren Rodungen und Besetzung mit Weidevieh bestimmten. Die Forsten wurden bewusst so angelegt, damit sie möglichst gute Voraussetzungen zur Jagd boten, sprich Furten, Wege und Lichtungen aufwiesen, sodass sich das Jagdglück nach einer Treibjagd auch tatsächlich einstellte.
Zudem mussten Jagdschlösser in ihnen Platz finden. Man kann dies im innerdeutschen Vergleich etwa an den Waldbeständen in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Baden-Württemberg und den Gebieten Norddeutschlands sehen, wenngleich mit der Jagd in Brandenburg heute nicht weniger Geld eingenommen wird als mit der Forstwirtschaft. Das Waldgesetz räumt dem Wald im Gegensatz zu agrarisch genutzten Flächen eine Reihe von Privilegien ein. So ist der Wald von ökologischen Ausgleichsmaßnahmen freigestellt.
Gerade weil der Wald in Deutschland bis in unsere Zeit immer zu großen Teilen in privatem Besitz war – eine Ausnahme bildeten hier die Staatsforsten der ehemaligen DDR –, entstanden Nationalparks im Vergleich zu den USA sehr viel später. Die Gebiete dort waren auf Tourismus ausgerichtet und keine forstwirtschaftlichen Nutzungsgebiete. Entsprechend verbindlich wollte man sie schützen, ohne dafür in Besitztümer eingreifen zu müssen. Die Debatte um den Teutoburger Wald, vielleicht den deutschesten aller Wälder, der Nationalpark werden sollte, geschichtlich betrachtet aber nicht immer „Wald“ gewesen sein kann, spricht daher Bände. Stark waren die Widerstände von Forstwirten, die wirtschaftliche Einbußen fürchteten. Aber mit dem Namen des Teutoburger Walds verknüpfte sich eine Großerzählung, die alle botanischen Zweifel zu beseitigen schien. An ihr hängte sich die Frage auf, wie es um die Natürlichkeit unserer Wälder bestellt ist.
„Es gibt in Europa mit ganz wenigen Ausnahmen wie in Skandinavien oder Polen keine natürlichen Wälder mehr“, sagt Reinhard F. Hüttl. Der Forstwissenschaftler leitet das GeoForschungsZentrum in Potsdam, das zur Helmholtz-Gemeinschaft gehört. Hüttl, der früher dem Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung angehörte und nach Fukushima in die Ethikkommission berufen wurde, hat sich in die Debatten um den Klimawandel als Querdenker eingeschaltet, zu denen er aus geowissenschaftlicher Sicht eine eigene Meinung hat. Man kann sie mit dem Versuch zusammenfassen, das Schwarzweiß-Schema von Anhängern der Hypothese, der Klimawandel habe eine einzige Ursache, den Menschen, sowie jenen, die den Menschen für einen irrelevanten Klimafaktor halten, zu durchbrechen.
So ist der Forstwissenschaftler davon überzeugt, dass das ungezügelte Verbrennen fossiler Rohstoffe, einer Biomasse, die sich über Hunderte von Millionen Jahren bildete, nicht ohne Auswirkungen auf die Atmosphäre geblieben ist und bleiben wird. Nicht weniger überzeugt ist er aber, dass das Klima und seine Dynamik im System Erde auch natürlichen extraterrestrischen Einflüssen
Weitere Kostenlose Bücher