Das Gurren der Tauben (German Edition)
enminister. Ich hatte nur ein paar Monate mit ihm zu tun,
dann wurde er entlassen. Aber er war auch die ganze Zeit ü ber in
Einzelhaft. Ich glaube sogar 10 Jahre. ”
Ich schaute
direkt online nach. Der Mann hie ß Georg Dertinger, nicht Hertinger. Bobby hatte den ersten
Buchstaben des Nachnamens verwechselt.
Ich stellte Fragen ü ber Rotb ä ckchen, H ä hnchen und
Trixi. Bobbys Antworten waren ausweichend. Er wollte nicht wirklich ü ber diese Leute
reden. Sie waren immerhin ehemaligen Genossen von ihm.
Nichtsdestotrotz,
erfuhr ich, dass H ä hnchen die verr ü ckten Ideen ü ber Umstrukturierung w ä hrend eines Ausbildungskurses in Moskau eingeh ä mmert worden
waren. Als er 1983 in Bautzen anfing, kam er von dort. Trixi arbeitete sp ä ter in leitender
Funktion in Bautzen I. Der ehemalige Anstaltsleiter Oberstleutnant Alex,
verdiente sein Geld als Versicherungsvertreter.
Bobby erz ä hlte mir, dass
er von ehemaligen Kollegen die nun in "der Eins" arbeiteten, erfahren
habe, wie disziplinlos es im Strafvollzug inzwischen zuging. Er war froh, dass
er das nicht mehr erleben musste.
Ich fragte ihn,
ob er sich an die Worte erinnert, die er direkt nach meiner Ankunft in Bautzen
zu mir sagte. Er sch ü ttelte den Kopf.
“ Sollten Sie hier
drin Krawall machen, kriegen Sie Ihr Jackst ü ck voll, wie Sie ’ s noch nie erlebt haben ” , sagte ich und lachte.
Bobby lachte
nicht.
Ich sagte ihm,
dass ich nicht mit jedem seiner ehemaligen Genossen ein Bier trinken w ü rde und dass ich
seine Fairness, au ß er nat ü rlich am Anfang,
gesch ä tzt habe.
Er sagte, das
Los, das ich zu tragen hatte, war schwer genug. Da musste man nicht noch
draufhauen.
In der Retrospektive
kann ich die Handlungen dieses Jungen von damals nicht nachvollziehen. Die Art
und Weise in der er seine Au ß enseiterrolle annahm, stellt seinem Charakter ein Armutszeugnis aus. Mit
dem Selbstbewusstsein und Wissen von heute, w ü rde ich so viel anders machen.
Ich muss aber
auch sagen, dass ich stolz auf diesen Jungen bin, weil er handelte und nicht
einfach alles ü ber sich ergehen
lie ß .
Was den direkten
Ausbruch betrifft, kann ich mich bei der Familie Seidel sowie bei Herrn und
Frau Volmert nur entschuldigen. Indem wir in ihre jeweiligen Wohnungen
eindrangen, versetzten wir sie in Angst und Schrecken. Sie wussten nicht, wie
weit wir wirklich gehen w ü rden und hatten wahrscheinlich Angst um ihr Leben.
Dagegen h ä lt sich mein Mitgef ü hl mit den Gesch ä digten, die eine
DDR-Uniform trugen, in Grenzen. Diese Leute halfen aktiv mit, ein System am
Leben zu erhalten, das au ß er einer Handvoll Altkommunisten, die von Moskaus Gnaden in Ostberlin sa ß en, niemand
haben wollte. Sie waren mitverantwortlich, dass ein Regime, das 17 Millionen B ü rgern ihrer
freiheitlichen Rechte beraubte, 40 Jahre lang existieren konnte. Diese Menschen
wussten, was sie taten und worauf sie sich einlie ß en.
* * *
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