Das Gurren der Tauben (German Edition)
Steigung hasste, wenn ich ersch ö pft auf meinem
Fahrrad zur ü ck vom
Trainingszentrum kam.
Ich sah den Zw ö lfj ä hrigen, der
voller Zuversicht den Berg Richtung Bahnhof hinunter radelt. Er hatte gerade
einen Altersklassen-Rekord im Weitsprung aufgestellt und es ging zur Aufnahmepr ü fung der Kinder-
und Jugendsportschule in Frankfurt (Oder). Der Junge sah sich schon als gro ß er Sportler, der
eines Tages Goldmedaillen f ü r sein Land, die DDR, holen wird. Als er dann am Nachmittag ersch ö pft zur ü ck kam und auf
der Steigung in die Pedalen trat, hatte er Tr ä nen in den Augen. Er hatte den Test nicht bestanden
und war abgelehnt worden. Die rassistischen Bemerkungen eines Kampfrichters
hatten ihn total aus dem Konzept gebracht, so dass er in keiner Disziplin zu
seinem wirklichen Leistungsverm ö gen fand ...
Ich wollte dem
Taxifahrer die Geschichte erz ä hlen, lie ß es aber. Er h ä tte es nicht
verstanden.
Frau Belke, das
gr öß te Klatschmaul
im Dorf, sah mich zuerst. Nachdem ich mehrmals an der Haust ü r geklingelt
hatte, rief sie: “ Die sind nach Frankfurt gefahren um ihre Enkeltochter abzuholen. ”
Als ich zu ihr r ü ber ging,
erkannte sie mich: “ Bist du das Andy! Gott, das ist so schrecklich, was sie mit dir gemacht
haben ... ” Sie zeigte mir,
wo meine Eltern den Zweitschl ü ssel versteckt hatten.
Als ich das Haus
betrat, musste ich schmunzeln. Da war dieser typische Geruch den ich 10 Jahre
nicht gerochen hatte, aber sofort wiedererkannte – diese Mischung aus Katze und Hund.
Ich ö ffnete die
Wohnzimmert ü r und zog sie
sofort wieder zu. Was war das?! Nachdem ich den Schock ü berwunden hatte,
schlug ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn: Nat ü rlich! Lando war
lange tot. Meine Eltern hatten sich inzwischen einen neuen Hund angeschafft. Er
schien eine Mischung aus Spitz, Sch ä ferhund und etwa 10 anderen Rassen zu sein. Er konnte nat ü rlich nicht
wissen, dass ich gewisse Rechte in diesem Haus besa ß .
Das Knurren und
Bellen auf der anderen Seite der T ü r ging weiter. Ich ö ffnete die T ü r erneut einen Spalt um einen zweiten Blick auf die
Bestie zu werfen. Sie kam direkt auf mich zu. Sie war nur mittelgro ß , schien aber
ziemlich sauer zu sein.
Ich kehrte nach
10 Jahren aus dem Knast zur ü ck und jetzt sollte mich dieser Hund daran hindern, mein eigenes Wohnzimmer
zu betreten? Keine Chance! War da nicht das Sprichwort “ Hunde die
bellen, bei ß en nicht ” ?
Ich schaute mich
im Flur um. Das beste Schlagwerkzeug, das ich finden konnte, war ein Handfeger.
Damit bewaffnet, stie ß ich die T ü r auf und trat
ins Wohnzimmer. Der Hund bellte wie ein Wahnsinniger, war aber in der R ü ckw ä rtsbewegung. Er
schien genauso viel Respekt vor mir zu haben, wie ich vor ihm. – Das Sprichwort
stimmte.
Ich ging r ü ber zur Couch,
setzte mich und schaltete mit der Fernbedienung den Fernseher ein. Nach einer
Weile h ö rte er auf zu
bellen, beobachtete mich aber scharf. Sobald ich mich bewegte, fing er wieder
an, wenn auch nicht mehr so schlimm wie zuvor.
Irgendwann bot
ich ihm meine Freundschaft an. Er knurrte, dass sich seine Lippen w ö lbten.
Offensichtlich kannten wir uns noch nicht gut genug um diesen Schritt zu gehen.
Aber es gab eine Art Waffenstillstand. Fortan nahmen wir gegenseitig keinerlei
Notiz mehr voneinander.
Ich verlie ß das Haus um
einen Spaziergang durchs Dorf zu machen. Nat ü rlich traf ich Frau Belke. Das Klatschmaul checkte die
Lage. Sie sagte mir, dass “ die alle ” bei Harry zur
Geburtstagsfeier seien. Ich ging zu Harry und war sofort der Star der
Veranstaltung. Harrys Geburtstagsparty wurde erweitert zu meiner Entlassungs-
und vorgezogenen 30. Geburtstagsparty.
Gegen Mitternacht
ging ich nach Hause. Es war noch niemand da. Ich setzte mich wieder vor den
Fernseher. Eine Stunde sp ä ter wurde der Hund unruhig. Ich h ö rte die Stimme meiner Mutter: "Heinrich, die T ü r ist offen.
Hattest du nicht abgeschlossen?"
Der Hund kam
unter dem Schrank hervor und rannte bellend zur T ü r. Die Haust ü r wurde ge ö ffnet. Z ö gern. Dann ging die Wohnzimmert ü r langsam auf.
W ä hrend der Hund
seine Version der Story erz ä hlte, starrte meine Mutter mich an. Sie erkannte mich nicht, wahrscheinlich
weil sie es f ü r ein Ding der
Unm ö glichkeit hielt,
dass ich mich in ihrem Wohnzimmer befand. Als ihr klar wurde, wer ich war, ging
ihre Hand zum Mund und bedeckte ihn: “ Junge! Bist du wieder ausgebrochen? ”
Ich lachte, ging
auf sie
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