das gutenberg-komplott
bei mir, ich weiß Bescheid. Dort hinten links.«
Sebastiano ging vorbei, und das war leichter gewesen als e r wartet, denn er hatte nicht gewusst, dass man die Wachen i n formieren würde; wäre er darüber unterrichtet gewesen, hätte er sich die quälendsten Sorgen sparen können.
Er folgte dem Getreidelieferanten. Bauhütten lehnten an Sankt Peter, Steinmetze klopften und hämmerten, und auf dem Gerüst und dem Dach sah man Arbeiter. Sebastiano hörte Messgesang, und Geistliche strömten zum Portal. Er sah nur wenige Frauen, aber niemand schenkte ihm Beachtung, wä h rend er zum Palast ging.
Obwohl die Päpste im Ernstfall in die Engelsburg flüchteten, zeugten die hohen steinernen Mauern des Palastes von dessen wehrhaftem Charakter. Zu häufig waren Päpste überfallen, en t führt und abgesetzt worden; nicht nur von auswärtigen Mäc h ten, wie früher den Normannen oder den deutschen Königen, drohte Gefahr, auch den Römern durfte die Kurie nicht trauen, wie die Aufstände eines Cola di Rienzo und eines Porcari b e wiesen.
Der Küchentrakt gehörte zum Palast und wurde täglich mit frischer Ware beliefert. Sebastiano fragte sich, wie viele Mäuler der Küchenmeister täglich zu stopfen hatte. Sicher nicht wenige – und vor allem solche mit einem gesegneten Appetit. Soweit er wusste, wurden die Waren zu ebener Erde gelagert, hinter den dicken Mauern der Südseite des Gebäudes, ungefähr dort, wo die Fuhrwerke standen, an denen sich Lastträger zu schaffen machten. Ein Mann mit einer Wachstafel verzeichnete den W a reneingang, gab Anweisungen und strahlte Autorität aus: der Küchenmeister.
Er hob die Brauen, als er Sebastiano mit seinem Korb sah. »Das Naschwerk! Endlich!«, rief er und drückte seinem Gehi l fen die Tafel und den Metallgriffel in die Hand. »Mach weiter!« Und Sebastiano bedeutete er mit dem Zeigefinger, ihm zu fo l gen.
Durch die offen stehende Tür und drei Treppenstufen kamen sie ins Warenlager. Ein kleiner Mann mit schwarzem Locke n kopf, dem der Schweiß über die Stirn lief, warf fluchend einen Sack zu Boden, und der Küchenmeister brüllte ihn an. Steinsä u len stützten die niedrigen Decken. Sie erreichten einen Raum, in dem keine Arbeiter waren. Der Küchenmeister holte einen Schlüsselbund hervor und öffnete eine Tür. Sie kamen in den Weinkeller, hier lagerten mächtige, beschriftete Eichenfässer. »Die Kerle saufen wie die Löcher«, sagte der Küchenmeister, während er die Tür von innen verriegelte. Aber seine eigene rote Nase und die poröse Gesichtshaut deuteten an, dass auch er einem guten Tropfen nicht abgeneigt war. Er leuchtete mit einer Fackel den Weg, hier gab es kein Tageslicht.
»Ich bin über alles unterrichtet. Ich bringe dich jetzt zu e i nem Gang, der direkt zum geheimen Archiv und zur Bibli o thek führt. Wenn du alles erledigt hast, gehst du denselben Weg z u rück. Ich erwarte dich und begleite dich zurück zum Ausgang.«
Das Weinlager verteilte sich über mehrere Kellerräume, a n schließend folgten sie einem Gangsystem, das zu einem and e ren Teil des Palastes führen musste. Dann standen sie vor einer Tür, die der Küchenmeister entriegelte; er schob einen Wan d teppich zur Seite, der den Eingang verdeckte, und drückte S e bastiano einen Schlüssel in die Hand. »Der ist für die Tür am Ende des Gangs. Vergiss auf keinen Fall, ihn mir zurückzug e ben. Ich warte hier auf dich. Viel Glück!«
Sebastiano zog den Wandteppich glatt, der Diana und A c taeon zeigte, folgte dem Gang bis zum Ende und öffnete die Tür, von der der Küchenmeister gesprochen hatte. Er betrat e i nen Raum mit hohen Glasfenstern und verschluss die Tür wi e der hinter sich. In der Mitte des Raums standen Pulte, an denen Bücher festgekettet waren. An der den Fenstern gegenüberli e genden Wand lagerten auf Holzgestellen Bücher und Schriftro l len.
Sehr wahrscheinlich würde er noch eine Weile warten mü s sen, so lange nämlich, bis Sonnenlicht in den Raum fiel. Der Mann, den er töten sollte, hatte schlechte Augen, und man hatte ihm gesagt, dass er die Vatikanische Bibliothek erst betrat, wenn sich die Sonne ihrem Zenit näherte.
Sebastiano konnte lesen, darauf war er stolz; er konnte sogar Latein. Ein befreundeter Mönch hatte ihm Schreiben und Lesen beigebracht, und beides war hilfreich, wenn er die Pilger durch die Stadt führte. Er trat an ein Pult und betrachtete den aufg e schlagenen, dickleibigen Band. Die Pergamentseiten waren von oben bis unten mit einer
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