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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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wobei sie meine geistigen Bedürfnisse höher einschätzten als meine körperlichen, denn später räumte die Nachtschwester vier Bücher in den Schrank, suchte jedoch vergebens nach Seife und Handtüchern, und Rolf notierte Anweisungen, die mir zur Fortführung eines geordneten Haushalts unerläßlich erschienen.
    »Übermorgen kommt der Schornsteinfeger, gib also den Hausschlüssel nebenan ab, wenn du nicht dasein solltest, denk dran, mittwochs ist Müllabfuhr, freitags kommt das Eier-Auto, wir brauchen jedesmal zwanzig Stück, Nicki soll den Termin beim Zahnarzt nicht vergessen, steht auf’m Kalender, die Betriebsanleitung für die Waschmaschine liegt im Handwerkskasten, und dann ruf um Himmels willen Tante Lisbeth an, sag ihr, was passiert ist, sie soll ihren Besuch verschieben. Oder sag ihr lieber nicht, daß ich im Krankenhaus liege, sonst kommt sie erst recht, und das möchte ich euch doch nicht zumuten. Die bleibt in drei Tagen länger als andere in drei Wochen. Ach ja, und vergiß nicht, dem Heizölfritzen den Marsch zu blasen, sonst sitzt ihr demnächst im Kalten. Ich hab schon vor zwei Wochen Nachschub bestellt, aber bis jetzt hat er noch nicht geliefert. Kartoffeln sind auch alle und…«
    »Halt! So schnell komme ich nicht mit.« Er sah mich mit einer ungewohnten Hochachtung an. »Wie merkst du dir das bloß? Hast du irgendwo einen Stundenplan liegen?«
    »In zwei Wochen kannst du das auch«, sagte ich, »ist alles nur Routine.«
    »Glaubst du wirklich, du mußt so lange im Krankenhaus bleiben? Geht das nicht schneller?« Die Aussicht, eine Zeitlang allein verantwortlich zu sein, schien ihm mehr Kopfzerbrechen zu bereiten als mein desolater Zustand.
    »Wenn es ein komplizierter Bruch ist, dauert es bestimmt noch länger«, prophezeite ich düster, obwohl ich mir natürlich das Gegenteil erhoffte. Wochenlang in so einer Matratzengruft eingesperrt zu sein, stellte ich mir entsetzlich vor. Krankenhäuser hatte ich nur viermal von innen gesehen – abgesehen von gelegentlichen Besuchen –, und da hatte sich die Aufenthaltsdauer schon vorher ausrechnen lassen. Zehn Tage maximal, dann hatte man mich samt Säugling wieder nach Hause geschickt.
    Als Kind hatte ich davon geträumt, nur ein einziges Mal mit Tatütata durch die Straßen fahren zu dürfen; jetzt fand ich das gar nicht mehr so aufregend. Das Gejaule nervt nämlich, und bis zum Kreiskrankenhaus waren es dreißig Kilometer.
    »Wir haben schon auf Sie gewartet«, sagte der Arzt, während er mich in den Fahrstuhl rollte.
    »Wieso? Haben Sie keine anderen Patienten?«
    Für meinen Galgenhumor hatte er nichts übrig. Das Krankenhaus sei über Funk verständigt worden, und deshalb habe man alles vorbereiten können.
    »Werde ich sofort operiert?«
    »Jetzt???« Nun hatte ich ihn wirklich aus der Fassung gebracht. »Es ist doch schon Wochenende.«
    Natürlich, daran hatte ich nicht gedacht. Wie rücksichtslos von mir, ausgerechnet an einem Freitagabend hinzufallen! (Aus Gründen der Gerechtigkeit muß ich allerdings zugeben, daß man mich trotz geheiligter Samstagsruhe am nächsten Tag fachmännisch zusammengeflickt hat.)
    Zunächst aber wurde ich »für die Nacht« hergerichtet. Das dauerte lange. Endlich hing das lädierte Bein an irgendwelchen Gewichten, die mich zur absoluten Regungslosigkeit verurteilten und mir eine schlaflose Nacht bereiteten. Zum Glück hatte die diensthabende Schwester nicht viel zu tun. Am nächsten Morgen kannte ich ihre ganze Lebensgeschichte, die ihres Mannes und zum Teil auch die meiner Mitpatienten.
    Frühstück fiel aus, ich mußte nüchtern bleiben. Das war ich schon seit 36 Stunden, zum Abendessen war ich ja nicht mehr gekommen. Rauchen durfte ich auch nicht. Die Stunden dehnten sich, einzige Abwechslung war der Anästhesist mit seinem Fragebogen. Nein, Epileptikerin war ich nicht, ich trug weder falschen Schmuck noch falsche Zähne, mein Alkoholkonsum hielt sich in Grenzen, mein Gewicht ebenfalls. Der Herr Doktor war’s zufrieden.
    »Dann machen wir bei Ihnen eine Teilnarkose«, sagte er fröhlich, »da sind Sie wach und merken trotzdem nichts.«
    Darauf legte ich nicht den geringsten Wert. »Ich lasse mich doch nicht bei vollem Bewußtsein schlachten!«
    »Wenn Sie wollen, bekommen Sie eine Schlafspritze.«
    Das hörte sich schon besser an. Jetzt sah ich den kommenden Stunden zuversichtlicher entgegen.
    Kurz vor eins war es endlich soweit. Ich wurde in einen gekachelten Raum geschoben und neben einem defekten

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