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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Sauerstoffgerät geparkt. Ein Mechaniker schraubte fluchend daran herum. »Hoffentlich wird es heute nicht mehr gebraucht«, dabei streifte mich ein beziehungsvoller Blick, »da fehlt ein Ersatzteil, das muß ich erst besorgen.«
    Eine herumstehende Schwester fürchtete wohl um meinen Seelenfrieden, jedenfalls beeilte sie sich zu versichern, daß man selbstverständlich ein zweites Gerät habe, und die Intensivstation sei ja auch noch da.
    Der Narkosearzt erschien, schon ganz in Grün und vermummt wie ein Bankräuber, und setzte mir eine Spritze. Sekunden später tauchte ich weg und fand mich in einem tief dunkelblauen Raum wieder, aus dem ich in einen pinkfarbenen fiel, dann in einen gelben, plötzlich war es ein roter, der sich langsam zu violett färbte ein ganzer Regenbogen kam mir entgegen, und ich mußte mitten durch! Dann war ich wieder wach und glaubte, alles sei vorbei. Dabei hatte es noch gar nicht angefangen.
    »Was haben Sie mir denn eben verpaßt?« fragte ich entrüstet. »Das war ja gräßlich!«
    »Haben Sie etwas gesehen? Erzählen Sie mal!«
    Ich schilderte meinen Farbenrausch, worauf der Arzt ungerührt meinte: »Da haben Sie doch einen wunderschönen Trip gehabt. Gestern hatte ich einen Patienten, dem sind angeblich Benzinkanister um den Kopf geflogen.«
    Wo, um alles in der Welt, war ich hier bloß gelandet? Bei Dr. Frankenstein? Bei Mr. Hyde??? Hatten die mir LSD gegeben, und wenn ja, warum?
    Das Entsetzen mußte mir wohl im Gesicht gestanden sein. Beruhigend tätschelte der Arzt meine Hand. »Die Teilnarkose wird direkt neben die Wirbelsäule gespritzt, und dazu mußten wir Sie aufrichten. Mit Ihrem gebrochenen Bein wäre das sehr schmerzhaft gewesen, deshalb haben wir Sie kurz außer Betrieb gesetzt. – So, und jetzt bekommen Sie noch etwas zum Schlafen.«
    Den Einstich spürte ich kaum mehr, aber statt zu zählen, murmelte ich: »Jetzt weiß ich wenigstens, warum Sascha lieber Hasch geraucht hat. Ist wohl bekömmlicher.«
    Richtig wach wurde ich erst wieder in einem Zweibettzimmer neben Frau Imle. Sie war sechsundfünfzig, Witwe, hatte acht Kinder, elf Enkel, fünf Geschwister und circa zwei Dutzend nähere Verwandte. Vor zehn Tagen hatte man ihr ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt, sie war schon wieder mobil und betreute mich in rührender Weise.
    Die erste Überprüfung meines gegenwärtigen Zustandes fiel recht zufriedenstellend aus. Ein halbmeterlanges Pflaster verdeckte die Operationswunde, und statt in einem Gipsverband ruhte das Bein in einem ausgehöhlten Styroporkasten. Mich irritierten lediglich die Schläuche, die neben dem Pflaster aus meinem Oberschenkel hingen und in drei auf dem Boden aufgereihten Flaschen endeten. Jedesmal, wenn ich mich bewegte, klirrte es verdächtig.
    »Die gehen nicht kaputt«, zerstreute die Schwester meine Bedenken, während sie den wenig appetitlichen Inhalt begutachtete, »es läuft sehr gut ab.«
    Im Laufe der nächsten Stunden lernte ich die wichtigsten Personen der Unfallchirurgie kennen. Da war zunächst einmal Irmtraut, ihres Zeichens Oberschwester, mit Damenbart und Brille, die an einem Goldkettchen vor ihrem mütterlichen Busen baumelte. Die zweite in der Hierarchie der Schwesternschaft hieß Vanessa, war Mitte Dreißig, wasserstoffblond und lispelte, aber sie war die netteste von allen. Dann gab es noch Hildegard und Helga sowie Karin, Lernschwester im zweiten Jahr. Ihre verantwortungsvolle Tätigkeit bestand überwiegend im Austeilen von Bettpfannen, Fieberthermometern und Mittagessen. Die männliche Komponente des Pflegepersonals vertrat Roland, der Zivi. Von Berufs wegen hatte er etwas mit Textilien zu tun, und nun weiß ich auch, wodurch sich Brandbinden von elastischen Binden unterscheiden und warum Mullbinden Mullbinden heißen.
    Roland war ein Grüner. Er versorgte mich mit Lesestoff über Umweltschutz, Waldsterben, Protestkundgebungen gegen Atomkraftwerke und Nikotinmißbrauch. Letzteres sah ich gar nicht so gern. Inzwischen hatte ich nämlich herausbekommen, daß es auf der Station eine Raucherecke gab, und davon fühlte ich mich unwiderstehlich angezogen.
    Mir ging’s ja schon wieder recht ordentlich. War am ersten Tag die Schwester noch mit fliegenden Röcken ins Zimmer gestürzt, sobald ich klingelte, so ließ sie sich am zweiten schon erheblich mehr Zeit, und vom dritten Tag an trank sie erst ihren Kaffee aus, bevor sie den Kopf durch die Tür steckte. Es mußte mir also gutgehen! Ich durfte auch schon dreimal täglich in den

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