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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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passierte es! Völlig unerwartet, weil von so was immer nur andere betroffen werden, die man erst mal bedauert und sich hinterher fragt, wie sie das denn bloß fertiggekriegt haben!
    Im Januar war es, also in dem Monat, den ich am meisten hasse, weil sich dann die Nachwirkungen von Weihnachten besonders bemerkbar machen: Das Bankkonto hat ab-, man selber hat zugenommen, und der Frühling ist noch so entsetzlich weit weg.
    Ein Vorteil des Landlebens besteht darin, daß man viele Dinge direkt vom Erzeuger bekommt; Stiefmütterchenpflanzen zum Beispiel, Kuhmist für die Tomatenstauden, Einkellerungskartoffeln, frische Erdbeeren und natürlich Milch. Seit Jahren schon holen wir unsere Milch vom Bauern, kennen die Namen aller dreiunddreißig Kühe und legen eine Löwenzahnblüte auf den verwaisten Platz, wenn mal wieder eins der Viecher geschlachtet worden ist.
    Milch gibt es ab sieben Uhr abends. Der Hof liegt ein paar hundert Meter von uns entfernt, was im Sommer einen kurzen Spaziergang bedeutet, im Winter eine unüberwindlich lange Strecke, weil es um diese Zeit bereits dunkel ist und kalt.
    An jenem Januartag hatte Nicole keine Zeit und Katja keine Lust. Warum immer sie diejenige sein müßte, welche… und von wegen die jüngsten Beine haben, das sei doch Schwachsinn, Nicki sei bloß drei Minuten älter, überhaupt brauchten wir gar keine Milch, von gestern sei noch welche übrig, und allein ginge sie auf keinen Fall.
    »Dann gehe ich eben«, drohte ich an, wohl wissend, daß es schließlich doch nicht dazu kommen würde.
    »Okay, wir gehen zusammen«, entschied Katja, »die frische Luft tut dir bestimmt gut.«
    Die frische Luft war kalt und roch nach Schnee. Fröstelnd hakte ich mich bei meiner Tochter ein; ich hätte mir besser die gefütterte Jacke anziehen sollen.
    Wie es genau passiert ist, kann ich nicht mehr sagen, jedenfalls riß es mir plötzlich beide Beine weg, und ich lag auf dem gefrorenen Boden. Später ermittelte Katja, daß ich auf genau 47 Zentimetern Glatteis ausgerutscht war, weit und breit die einzige Pfütze, auf der sich Eis gebildet hatte.
    »Willst du nicht mal wieder aufstehen?«
    Nein, das wollte ich ganz und gar nicht. Ich kam mir vor wie auf Wattebällchen gebettet und fühlte mich sehr wohl. Trotzdem wußte ich genau, was geschehen war. »Ich hab mir den Oberschenkel gebrochen.«
    »Mach keinen Quatsch!« Jetzt war Katja doch beunruhigt. »Woher willst du das wissen? Hat es geknackt?«
    Es hatte nicht geknackt, aber das war auch gar nicht nötig gewesen. Ich bin ein sehr gründlicher Mensch, und wenn’s mich mal erwischt, dann habe ich auch etwas davon! Im stillen rechnete ich schon: Vier Wochen Krankenhaus, anschließend Gehgips mit Krücken, danach Therapie mit Massagen und Gymnastik – das alles kannte ich noch von Steffis Operation her. Und in drei Monaten sollte ich mein Manuskript abliefern! Ob es wohl gestattet war, eine Schreibmaschine ins Krankenhaus mitzubringen?
    Inzwischen hatte Katja die Bäuerin aus dem Kuhstall geholt. Gemeinsam hievten sie mich aus meiner horizontalen Lage in eine vertikale und lehnten mich an den Zaun. Auf dem linken Bein konnte ich ohne weiteres stehen, aber als ich mit dem rechten vorsichtig aufzutreten versuchte, schoß ein wahnsinniger Schmerz durch den ganzen Körper. »Geht nicht«, knirschte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Ich rufe die Unfallstation an«, sagte Frau Schmidt.
    Unfallstation bedeutete die ortsansässige orthopädische Klinik, bedeutete Sechsbettzimmer, bedeutete striktes Rauchverbot… »Könnten Sie mich nicht erst mal nach Hause bringen?«
    Der subventionierte Daimler war groß genug, mich halbwegs bequem abtransportieren zu können. Schwieriger waren da schon die drei Treppenstufen vor unserer Haustür, aber auch die schaffte ich. Erleichtert ließ ich mich aufs Sofa legen.
    Rolf stand hilflos daneben, wollte mir abwechselnd Tee und Kognak einflößen, fragte, ob mir vielleicht ein kalter Umschlag guttun würde, holte Kissen, die ich nicht brauchte, holte eine Decke, die ich erst recht nicht brauchte, und kam gar nicht auf die Idee, sich um das Nächstliegende zu kümmern, nämlich um einen Arzt.
    Den hatte Katja alarmiert. Er war auch wenig später da, sah mich kurz an, lupfte mein rechtes Bein wenige Zentimeter an, ich schrie auf – »Schenkelhalsfraktur«, sagte er.
    »Das hab ich schon vorher gewußt.«
    Jetzt kam Leben ins Haus! Der Arzt telefonierte nach dem Krankenwagen, die Zwillinge packten einen Handkoffer,

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