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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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wurden. Karlheinz Köpcke in Stereo.
    Besorgt um mein geistiges Wohl, hatten die Zwillinge ihren tragbaren Apparat angeschleppt, obwohl ich gar keinen so großen Wert darauf gelegt hatte. »Heute gibt es aber so einen schönen Hollywoodschinken aus der Antike«, hatte Nicki gesagt.
    »Aus der Antike des Fernsehens?«
    »Nee, irgendwas aus dem alten Ägypten.«
    Als ich den Kasten nach drei Stunden ausschaltete, blieb eigenlich nur die Erkenntnis, daß Cleopatra ihr Reich bestimmt nicht verloren hätte, wenn sie das ganze Geld hätte haben können, das der Film über sie gekostet hatte.
    Frau Imle interessierte sich nicht fürs Fernsehen, sie las lieber die mitgebrachte Lektüre: Gemeindeblättchen, Fleischerzeitung; Kirchenanzeiger. Den brachte der Obere mit, wenn er zweimal wöchentlich zum Gottesdienst kam. Frau Imle gehörte nämlich einer Sekte an. Ich weiß nicht mehr, welcher, aber sie muß um ihre Schäfchen sehr bemüht sein. Zum täglichen Besucherreigen gehörten immer ein paar Gemeindemitglieder, und einmal tauchte sogar der ganze Kirchenchor auf, postierte sich draußen auf dem Gang, sämtliche Zimmertüren wurden geöffnet, und dann genossen wir mehr oder weniger erfreut die musikalische Darbietung. Es war Freitag, und im Fernsehen lief Derrick.
    Der Obere, ein noch recht junger Mann in maßgeschneidertem Zweireiher, erschien dienstags und freitags, baute auf einem mitgebrachten Klappstuhl seine Gerätschaften auf und hielt mit Frau Imle eine Andacht ab. Sie fiel immer sehr kurz aus, weil die Feierlichkeit zu den unterschiedlichsten Zeiten stattfand und meistens durch die profanen Auftritte des Pflegepersonals unterbrochen wurde. »Ist hier noch eine Bettschüssel abzuholen?«
    Einmal platzte sogar die große Visite mitten in die heilige Handlung. Der voranschreitende Chefarzt stutzte, blieb stehen, die nachfolgenden Phalanx von Schwestern und Assistenzärzten prallte auf ihn drauf, er kriegte den Verbandwagen ans Schienbein und gab einen wenig christlichen Fluch von sich, bevor er sich diskret wieder zurückzog. »Wir kommen später noch mal.«
    Die tägliche Chefvisite war das einzige, was die Oberschwester aus der Ruhe bringen konnte. Wenn sich die niederen Chargen vor der Glastür zur Unfallchirurgie sammelten, des weißen Halbgottes harrend, fegte Schwester Irmtraut zwecks letzter Inspektion durch alle Krankenzimmer. Waren die Nachttische aufgeräumt? Waren die Laken glattgezogen? Lagen auch keine Illustrierten mit provozierenden Titelbildern in Sichtweite? Wenn doch, wurden sie umgedreht. Und hatte vor allen Dingen Fräulein Weber aus Zimmer 3 ihr Bettjäckchen an? Die Nachthemden dieser Dame waren wirklich nicht das, was man hier schicklicherweise anzuziehen hatte. In diesen Räumen herrschte langärmeliger Flanell vor, an zweiter Stelle bedruckte Baumwolle. Perlon war gerade noch tragbar, mit Spitze obendran nur geduldet, sofern durch etwas weniger Aufreizendes verhüllt. Ich trug Schlafanzüge und sicherte mir zumindest in diesem Punkt Schwester Irmtrauts Wohlwollen.
    Bereits am Abend des zweiten Tages, als ich noch ziemlich reglos in meinem Bett lag und die Gewichtsverlagerung von der rechten Pobacke auf die linke als Fortschritt empfand, scheuchte mich Herr Dr. Jellinek von meinem Schmerzenslager.
    »Stehen Sie mal auf!«
    »Wer? Ich?«
    »Natürlich Sie. Ich helfe Ihnen auch.«
    Er ließ nicht locker, bis ich schließlich, gestützt auf den Nachttisch, wie ein Storch auf einem Bein vor dem Bett stand. »Sehr gut! Nun treten Sie mal mit dem anderen Bein auf!«
    »Etwa mit dem kaputten?«
    »Das ist nicht mehr kaputt. Ich habe Ihnen 685 Gramm Edelstahl eingebaut, das hält.«
    Vorsichtig suchte ich mit dem rechten Fuß Bodenkontakt. Es ging sogar.
    »Und nun allmählich belasten.«
    Ich trat etwas stärker auf. Es tat weh, aber nicht allzusehr.
    »So, und jetzt ziehen Sie das linke Bein an!«
    »Meinen Sie, ich soll nur auf dem kaputten stehen?«
    »Das ist nicht kaputt«, versicherte er nochmals, »Sie können wirklich voll auftreten. Auf meine Verantwortung.«
    »Na schön, es ist Ihre Verantwortung, aber mein Bein.«
    Ich traute mich einfach nicht. Erst als Frau Imle aufmunternd sagte: »Wennsch dr Doktor sagt, wird’s scho recht sein«, wagte ich den Versuch. Weder knickte ich zusammen, noch gab es andere Schwierigkeiten, ich zertrampelte lediglich eine dieser vermaledeiten Flaschen, die entgegen aller Behauptungen doch zerbrach und ihren Inhalt über Dr. Jellineks weiße Schuhe

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