Das hätt' ich vorher wissen müssen
nächtigte.
Ich hatte auch keine Lust, mich dem vergnügungssüchtigen Trupp anzuschließen. Wer weiß, wie viele Kilometer Kopfsteinpflaster uns morgen wieder bevorstanden.
ZWEITER TAG: Er begann auf dem Petersplatz, wo bereits die ersten Vorbereitungen zur abendlichen Papstmesse getroffen wurden. Der Herr Bürgermeister wunderte sich. »Ist der denn mal zu Hause?«
Frau Marquardt offerierte Eintrittskarten. Zwölf Stück habe sie ergattern können, und wer interessiert sei, solle sich bei ihr melden. Abends hatte sie immer noch vier übrig.
Auf dem Petersplatz war es auch, wo der erste Teilnehmer unserer Gruppe seine Brieftasche vermißte. Gerade habe er sie noch gehabt, beteuerte er, da drüben an der Andenkenbude, wo er das Kolosseum in nachgemachter Bronze gekauft habe. Und nun sei sie plötzlich weg.
»Man sollte den Heiligen Vater zum Schutzpatron der Taschendiebe ernennen«, regte Frau Marquardt an, »in ganz Rom wird nicht so viel geklaut wie hier auf dem Petersplatz. Und passen Sie auch auf, wenn wir jetzt hineingehen. Religiöse Skrupel kennen die Handtaschenmarder nicht.«
Man kann mich jetzt für einen Banausen halten oder sogar Schlimmeres, aber ich empfand das Innere des Petersdoms als eine Ansammlung monumentaler Scheußlichkeiten, abgesehen natürlich von der phantastischen Kuppel und Michelangelos »Pieta«. Aber die Statuen der diversen Päpste und Heiligen, die Gobelins, die Wandmalereien quer durch die Jahrhunderte wirken in dieser Vielfalt erdrückend. In den Ecken Beichtstühle mit dezent angebrachten Schildern, in welchen Sprachen man seine Sünden offenbaren kann, und überall Schulklassen und Touristengruppen mit den unvermeidlichen Fotoapparaten. »Marlies, stell dich mal neben das Gitter da, dann kriege ich den Altar auch noch mit drauf.«
Wie viele Kirchen wir an diesem Vormittag noch besucht haben, weiß ich nicht mehr, ihre Namen habe ich auch nicht alle behalten, aber es waren sehr schöne darunter, weniger schöne und absolut häßliche. Meistens waren das diejenigen, denen aus religiösen Gründen eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Manchen Basiliken sieht man von außen gar nicht an, daß sie Kirchen sind, dazu gehört auch Santa Maria Maggiore. Ich stand am Fuß der Treppe und schaute mir die Fassade an, blickte hoch zu der Balustrade mit den großen Säulen und bemerkte nicht, daß sich Otto zu mir gesellte. Er folgte meinen Augen. »Ist ja’n bißchen schwer zu erkennen, aber ich glaube, es ist zehn Minuten vor zwölf.«
»Wie bitte?«
»Na ja, die Uhr meine ich. Hätten sie ruhig größer machen sollen.«
O heilige Einfalt!
Santa Maria Maggiore war der letzte Punkt des heutigen Pflichtprogramms, den Nachmittag hatten wir frei. Alle Fußkranken und Vollpensionäre (»Wir haben unser Mittagessen schließlich bezahlt!«) fuhren zurück zum Hotel, der Rest verkrümelte sich in verschiedene Richtungen – die Quadriga auf der Suche nach weiteren Kirchen, der Bürgermeister auf der Suche nach Faßbier. Otto wollte wissen, wo man etwas zu essen bekäme. Frau Marquardt empfahl ihm ein Restaurant in der Nähe des Petersplatzes, da gebe es sogar eine deutsche Speisekarte. Am gestrigen Abend hatte Otto nämlich in Unkenntnis der italienischen Sprache »Zweimal bistecca« geordert in der Annahme, hierzulande müsse man die notwendigen Eßgeräte extra bestellen, und als ihm nach den Beefsteaks auch noch eine Schinkenplatte serviert worden war, hatte er die italienische Küche in den höchsten Tönen gelobt. Erst beim Anblick der Rechnung war ihm sein fataler Irrtum klargeworden.
»Was wollen Sie denn nun unbedingt noch sehen?« erkundigte sich Frau Marquardt, nachdem sie ihre Schutzbefohlenen entlassen hatte, wohlversehen mit Adressen von Ledergeschäften, Andenkenläden und Wechselstuben.
»Natürlich das, was man in Rom einfach gesehen haben muß«, sagte ich. »Zu Hause kann ich doch keinem imponieren, wenn ich nicht die Spanische Treppe raufgestiegen bin und die obligatorische Münze in den Trevi-Brunnen geschmissen habe.«
Beide Sehenswürdigkeiten gehörten nicht zum offiziellen Programm, sie waren wohl den privaten Entdeckerfreuden vorbehalten. Und prompt haben wir sie auch alle wiedergetroffen: Die Damen Moll und Klinger (das waren die mit dem Doppelzimmer), wie sie in ihren Brustbeuteln nach den kleinsten Liremünzen fischten, den Bürgermeister, der die tägliche Gesamteinnahme zu errechnen versuchte, und natürlich Otto und Trudchen, die sich nicht einigen
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