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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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hinten in der Ecke zusammengeballt.« Sie zeigte auf den Flügel, hinter dem mehrere Tische standen. »Langsam nähern wir uns dem gemütlichen Teil. Ich hab zwar schon alle Hände geschüttelt, die ich schütteln mußte, aber ich möchte Sie doch noch gern mit einigen Buchhändlern bekannt machen, die sich besonders für Ihre Bücher eingesetzt haben. Haben Sie jetzt Zeit?«
    Natürlich hatte ich Zeit, das Sauerkraut war sowieso schon kalt. Also begrüßte ich diverse Damen und Herren, die sich ausnahmslos freuten, mich kennenzulernen, Unverbindliches plauderten und wissen wollten, ob ich denn gelegentlich zu einer Signierstunde oder gar zu einer Lesung bereit wäre. Ich murmelte ebenso Unverbindliches und wußte genau, daß es dazu doch nie kommen würde. Dann war ich genug herumgereicht worden und durfte mich wieder setzen. Ein diensteifriger Kellner hatte in der Zwischenzeit meinen noch unberührten Teller abgeräumt. Dafür kam ein anderer und goß die Weingläser voll. Ich fürchtete um meinen Gleichgewichtssinn und bestellte Orangensaft. Wenn ich doch wenigstens ein einziges Würstchen hätte essen können… Herr Brühl kaute Laugenbrezel, bemerkte meinen hungrigen Blick und gab mir die Hälfte ab. Mampfend sahen wir zu, wie die Reste des kalten Büfetts hinausgetragen wurden.
    Allmählich leerte sich der Saal. Es war kurz vor Mitternacht, und wenn Sascha pünktlich war, mußte er jeden Moment aufkreuzen – vorausgesetzt, er hatte ab und zu mal auf die Uhr gesehen. Jetzt konnte ich nur hoffen, daß er sich nicht allzusehr amüsiert hatte. Es würde sich kaum umgehen lassen, ihn den mittlerweile recht zahlreich versammelten Verlagsmenschen als meinen Filius vorzustellen, und dazu brauchte ich ihn in einem halbwegs präsentablen Zustand. Wegen seines Gammellooks machte ich mir keine Sorgen, damit würde er bestimmt nicht auffallen. Entgegen meinen Erwartungen war dieser Empfang alles andere als hoch offiziell, und ich war mir bereits in den ersten Minuten als »overdressed« vorgekommen. Sogar in meinem Beerdigungskostüm wäre ich noch überkorrekt gekleidet gewesen, und diesen goldglitzernden Fummel, der mich ebensoviel Nerven wie Geld gekostet hatte, hätte ich mir sparen können. Von wegen Abendgarderobe! Jeans trugen die Gäste, Rollkragenpullover, bestenfalls dunkle Anzüge und die Damen Hosen oder Schlabberkleider, mit denen sie schon mittags durch die Messehallen gezogen waren.
    Manche sahen ohnehin aus, als hätten sie seit dem Morgen kein Hotelzimmer mehr gesehen. Und ich hatte mich aufgetakelt, als wäre ich zum Dinner ins Weiße Haus gebeten worden! Rausgeschmissenes Geld! Ein Glück, daß Steffi ungefähr meine Figur hatte. Zum Tanzstundenball braucht man heutzutage nicht mehr unbedingt eine Tüllwolke, und Schwarz stand ihr recht gut.
    Frau Konsalik näherte sich dem Tisch. Sofort sprangen sämtliche Herren eilfertig hoch und boten ihre Stühle an. Lachend winkte sie ab. »So viele brauche ich nicht, ich hab doch gerade wieder abgespeckt. Zwei Wochen lang bloß Knäckebrot und Magerquark. In den letzten Tagen hätten wir aus lauter Verzweiflung am liebsten auch noch die Tischdekorationen gegessen. Mein Mann hat die Tortur viel besser überstanden als ich, der hat gleich elf Kilo abgenommen. Bei mir waren es leider ein paar weniger.« Sie seufzte. »Schön wär’s, wenn einem ein vierzehntägiger Urlaub genauso lang vorkäme wie eine vierzehntägige Fastenkur.« Plötzlich weiteten sich ihre Augen in gespieltem Entsetzen. »Herr Brühl, schaffen Sie mir dieses Weib da vom Hals, bevor sie mich wieder mit Beschlag belegt! Eine halbe Stunde lang habe ich mir ihr langweiliges Geschwätz anhören müssen, jetzt kann ich nicht mehr!« Sie zeigte auf ein unterernährtes Geschöpf in pflegeleichtem Häkelkleid mit dazu passendem Topfhut.
    »Wer ist das überhaupt?« erkundigte sich der Abkommandierte, als er sich zögernd erhob.
    »Eine Agentin, glaube ich. Wenn ich sie recht verstanden habe, erscheint im nächsten Jahr bei uns das Werk eines ihrer amerikanischen Schützlinge. Deshalb habe ich mich ja auch geduldig von ihr vollbrabbeln lassen, aber nun reicht es wirklich!«
    So erfrischend offen hatte ich mir die Frau meines berühmten Kollegen nicht vorgestellt. Ich mag Menschen, die sich nicht so furchtbar wichtig nehmen, die natürlich geblieben sind und auch mal über sich selbst lachen können.
    Sie musterte die Übriggebliebenen, Unverdrossenen, die in Grüppchen herumstehend Erfolg verkörperten

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