Das hätt' ich vorher wissen müssen
traditionelle Party lief ab wie alle vorangegangenen Partys, nur kannte ich jetzt im Gegensatz zu meinem ersten Besuch schon eine ganze Reihe von immer denselben Gästen, und Rolfs konstante Weigerung mich wenigstens ein einziges Mal zu begleiten, verursachte mir keine Bauchschmerzen mehr. Ich unterhielt mich auch ohne ihn ganz gut.
An diesem Abend lernte ich eine neue Mitarbeiterin des Verlags kennen. Frau Maibach. Sie war das genaue Gegenteil von Frau Schöninger, nämlich dunkelhaarig statt blond. schlank statt rundlich, ruhig statt quirlig, aber sie hatte ein genauso loses Mundwerk wie ihre Vorgängerin. Wir verstanden uns auf Anhieb und hechelten genüßlich die Anwesenden durch. Am nächsten Tag allerdings waren wir ihre Opfer!
Als lange nach Mitternacht ein einzelnes verstohlenes Gähnen eine Kettenreaktion auslöste und alle anderen auch zu gähnen anfingen, wurde der allgemeine Aufbruch beschlossen. Eingedenk meiner Unfähigkeit, in fremden Gegenden unbekannte Ortschaften zu finden – nachts schon überhaupt nicht –, pirschte ich mich an Herrn Duwe heran, von dem ich wußte, daß er ebenfalls in jenem »außerhalb« gelegenen Hotel logierte. »Kann ich mich an Sie dranhängen?«
»Warum?« (Herr Duwe ist Norddeutscher und gehört nicht eben zu den Gesprächigsten.)
»Weil ich dieses Hotel allein nie finden werde.«
»Das ist kein Hotel, das ist eine Pension.«
»Na schön, dann ist es eben eine Pension, was spielt das schon für eine Rolle?«
»Eine große. Da gibt es nämlich keinen Nachtportier.«
»Brauche ich nicht. Mein Köfferchen kann ich auch allein tragen.«
Er grinste hinterhältig. »Wissen Sie denn auch, in welches Zimmer?«
»Nee. Aber ich denke, es ist eins für mich reserviert.«
»Das schon, aber welche Nummer?«
»Keine Ahnung, ich bin ja noch nicht dort gewesen.«
»Eben!«
Es stellte sich heraus, daß diese Pension ab 22 Uhr auf Selbstbedienung umgepolt wurde, d. h. man bekam schon vorher den Hausschlüssel ausgehändigt, verschaffte sich selbst Einlaß, holte den Zimmerschlüssel vom Brett und begab sich zur Ruhe.
»Ist doch kein Problem, ich nehme einfach den Schlüssel, der als letzter übrigbleibt. Das muß zwangsläufig meiner sein.« Ich war sehr stolz auf meine logische Schlußfolgerung – und erntete brüllendes Gelächter.
»Sie haben wohl keine Ahnung, wie viele Nachtschwärmer es gibt! Manche kommen doch bloß zum Wäschewechseln ins Hotel. Und ob Ihr Zimmer überhaupt noch frei ist, müßte auch erst geklärt werden. Wer sich bis 20 Uhr nicht gemeldet hat, gilt in der Regel als nicht angekommen. Dann wird einfach weitervermietet.«
Jetzt wurde ich doch ein bißchen unruhig. »Kann man in diesem Laden nicht mal anrufen?«
Herr Duwe nahm das als Aufforderung und trabte ab. Bald war er wieder da. »Geht keiner ran.«
Kleiner Kriegsrat. Der große entfiel, weil nur noch sieben Unentwegte übriggeblieben waren, die den Ausweg dieser etwas prekären Situation mitkriegen wollten.
»Kennen Sie denn niemanden in Frankfurt, bei dem Sie übernachten könnten?«
Nein, ich kannte keinen. Die Existenz von Evchen unterschlug ich. Man kann nicht bei jemandem, den man schon vorher bis zum Gehtnichtmehr genervt hat, nachts um drei vor der Tür stehen und um Asyl bitten.
»Ich hab eine Freundin hier in der Nähe. Vielleicht kann ich bei der schlafen, und Sie kriegen mein Zimmer.« Als Verlagssekretärin fühlte sich Frau Gröning offenbar mitverantwortlich für das Wohl der Autorin.
»Wo wohnt denn diese Freundin?«
»In Taunusstein.«
Das war bereits außerhalb von Außerhalb und kam nicht in Frage.
»Ich kann ja zur Bahnhofsmission gehen«, schlug ich vor. Das wurde genauso verworfen wie die Anregung von männlicher Seite, man könne doch nach Sachsenhausen fahren und sich den Rest der Nacht bei Äppelwoi um die Ohren schlagen. Auf die paar Stunden käme es nun auch nicht mehr an.
»Da habe ich eine viel bessere Idee: Ich fahre ganz einfach nach Hause!« Nachts würde die Autobahn leer sein, getrunken hatte ich kaum etwas – warum also nicht?
»Sie haben morgen um zehn einen Pressetermin«, erinnerte Frau Gröning.
Richtig, den hatte ich total vergessen. Irgend jemand wollte mal wieder irgend etwas von mir wissen, was -zig Kollegen vor ihm auch schon hatten wissen wollen.
Frau Maibach meldete sich zu Wort: »Ich habe ein Doppelzimmer, und das zweite Bett ist frei. Wenn es Ihnen nichts ausmacht…«
Normalerweise pflege ich nicht Bett und Bad mit jemandem zu
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