Das hätt' ich vorher wissen müssen
täte es auch. Hätte ich mir sogar leisten können, wenn dieser blöde und völlig überflüssige Abendanzug nicht gewesen wäre.
»Party? Weiß ich nicht. Wahrscheinlich. Ist mir aber egal, da kriegen mich sowieso keine zehn Pferde mehr hin. Nie wieder!«
»Auch nicht, wenn ich mitkomme?«
»Dann erst recht nicht!«
9
Selbstverständlich blieb es nicht bei dem »Nie wieder!«, denn im Laufe der Jahre lernte ich, daß Autoren zumindest einmal im Jahr da zu erscheinen haben, wo man sie mit Fug und Recht erwarten kann: auf der Buchmesse. Dort dienen sie in der Regel als Aushängeschild und sollen das Renommee ihres Verlags heben. Zu diesem Zweck verfügt denn auch fast jeder Verlag über eine große Pinnwand mit dem Hinweis: Unsere Autoren am Stand. Sobald sich einer von ihnen auch nur nähert, wird ein schon präpariertes Namensschild hervorgeholt und angebracht. Prominente Autoren könnten darauf verzichten (was sie aber nicht tun), weniger prominente erleben mitunter etwas groteske Situationen.
Einmal saß ich mit Hinrich Matthiesen an einem dieser niedlichen Boulevardtischchen, als zwei etwa elfjährige Knaben heranstürmten und mein Gegenüber um ein Autogramm baten. Bereitwillig malte er seinen Namenszug in das hingehaltene Buch, aber als sich die beiden wieder entfernen wollten, warf der eine von ihnen einen zweifelnden Blick auf mich, beriet sich mit seinem Freund und kam zögernd zurück. »Kriege ich von Ihnen auch eins?« Nachdem ich mich ebenfalls in dem Buch verewigt hatte, zogen sie ab, aber ich hörte doch noch, wie der eine zum anderen sagte: »Wer war’n das überhaupt?«
Ein anderes Mal erzählte einer unserer Außendienstmitarbeiter, er sei von einem Halbwüchsigen um seine Unterschrift gebeten worden, habe irgend etwas Unleserliches hingekritzelt, worauf der Autogrammjäger beglückt gestammelt habe: »Vielen Dank, Herr Konsalik.« Stundenlang haben wir versucht, zwischen den beiden Herren auch nur die geringste Spur von Ähnlichkeit zu entdecken.
So ziemlich jeder Bundesbürger dürfte schon einmal das Frankfurter Messegelände gesehen haben, denn dort werden ja nicht nur Bücher, sondern in regelmäßigem Turnus auch Autos, Pelzmäntel, Industriegüter, Stoffe und sonstige Erzeugnisse fleißiger Fabrikanten präsentiert, doch die größte Anziehungskraft hat vermutlich die jedes Jahr im Oktober stattfindende Buchmesse, für die besonders Hotelbesitzer dankbar sind, weil sie dann nicht nur die Zimmerpreise verdoppeln, sondern darüber hinaus auch noch die letzte Besenkammer profitabel an den Mann bringen können. Erfahrene Aussteller buchen ihre Unterkünfte grundsätzlich für die kommenden zehn Jahre im voraus, wissen sie doch genau, daß im Falle ihres vorzeitigen Ablebens die späteren Erben keine Schwierigkeiten haben werden, das reservierte Zimmer innerhalb von Minuten wieder loszuwerden.
Kluge Menschen, denen der tägliche Rummel in den Messehallen genügt und die keinen Wert auf eine abendliche Fortsetzung in den dafür reichlich vorhandenen Etablissements legen, nächtigen außerhalb. Außerhalb bedeutet vierzig bis sechzig Kilometer von Frankfurts Stadtkern entfernt, bedeutet Kriechverkehr auf den Zufahrtsstraßen, bedeutet aber auch entsprechend frühes Aufstehen am anderen Morgen, weil der Verkehr dann in die entgegengesetzte Richtung kriecht. Der einzige Vorteil: Man schläft halbwegs ruhig.
In eines dieser außerhalb gelegenen Hotels hatte man mich einquartiert zusammen mit einigen Kollegen und ein paar Mitarbeitern, deren pünktliches Erscheinen am Stand nicht obligatorisch war. Autoren gehören ebenfalls dazu. Deshalb wohl brummt man ihnen auch gern die weiten Anfahrtswege auf.
Ich war bereits am Nachmittag nach Frankfurt gefahren, hatte allerdings einen großen Bogen um das Messegelände gemacht und statt dessen Wiedersehen mit Evchen gefeiert, einer Berliner Klassenkameradin, die ebenfalls aus unserer Heimat emigriert war. Wenn man sich nach über dreißig Jahren plötzlich wiedersieht, guckt man nicht auf die Uhr. Das war mein Fehler! Um halb zehn riskierte ich doch mal einen Blick, und dann wurde es hektisch! Koffer aus dem Auto geholt, Klamotten rausgewühlt – diesmal war’s nur ein schlichtes Kostüm –, Evchen scheuchte den vor unserem erinnerungsträchtigen Geschwafel geflohenen Ehemann aus der Badewanne, holte Wimperntusche und Lockenstab, behielt die Ruhe, während ich immer nervöser wurde, und lotste mich sogar noch durch den Frankfurter Verkehr.
Die
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