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Das Hagebutten-Mädchen

Das Hagebutten-Mädchen

Titel: Das Hagebutten-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Bett. Ob sie dabei auch an Astrid gedacht haben, an die doppelt Betrogene? Vielleicht haben sie sogar besonders gern an sie gedacht, vielleicht war es ein ganz spezieller Reiz, gleich zweifach Verbotenes zu tun?
    Der Brechreiz ließ endlich nach. Sie trank erneut einen Schluck aus dem Wasserhahn und kühlte sich die brennenden Augen. Schließlich trat Gerrit an sie heran und legte die Hand auf ihren Rücken.
    Doch sie drehte sich um, stieß seine Berührung von sich. Es war alles so anders und sie wusste nicht, wie sie diesen Satz überleben sollte: Gerrit vögelt mit Seike, bist du wirklich nie auf den Gedanken gekommen?
    Das war noch schlimmer. Ja, das war es. Es bedeutete, dass niemand mehr übrig blieb. Dass sie ganz allein war. Dass alle, wirklich alle sich über sie totlachten.

Samstag, 20. März, 16.36 Uhr
    S eike Hikken hatte noch immer das Telefon zwischen Schulter und Kinn geklemmt, obwohl es schon seit bestimmt einer Minute still am anderen Ende der Leitung war, nachdem Astrid so überstürzt aufgelegt hatte. Doch ihr fehlte einfach die dritte Hand, um den Hörer beiseite zu legen. Ihre beiden gottgegebenen waren voll mit Babyöl und Pauls Hinterlassenschaften. Sie warf die warme, schwere Windel in den Eimer und strich ihrem Sohn sanft die Penatencreme über die rosigen Pobacken. Wie sollte sie das alles schaffen? Meine Güte, wenn das Baby kam, dann war Paul gerade mal zwei Jahre und sieben Monate. Vielleicht musste sie ihn dann immer noch wickeln und tragen und füttern und eine Stunde seine Hand halten, damit er einschlafen konnte. Und dann noch das Baby. Vielleicht entwickelte sich dieser zarte Zellhaufen in ihrer Gebärmutter, von dessen Existenz sie gestern Morgen erfahren hatte, zu einem Schreikind mit höllischen Blähungen und enormer Ausdauer. So wie Paul es gewesen war. Noch mal würde sie diese Tortur nicht durchstehen. Ganz allein. Nein, diesmal würde sie einen Mann an ihrer Seite haben.
    War Astrid wirklich so blind? Du ziehst deinen Paul auch alleine groß und hast die Sache ganz gut im Griff. Seike seufzte. Ganz gut im Griff.
    Gerade Astrid musste doch wissen, dass hinter dem schönen Schein oft ein Haufen Scheiße steckte. Viel besser ging es ihr doch auch nicht. Gut, Astrid war zu perfekt, um darüber zu jammern, aber dass ihr Mann schon seit Jahren auf dem Ausziehsofa schlief, war sicher nicht leicht zu verkraften.
    Wenn Seike nicht ganz genau und sozusagen aus erster Hand wüsste, dass die Ehe der Kreuzfeldts noch nicht einmal mehr ein Desaster, sondern nur noch reine Formalität war, dann hätte sie nichts bemerkt von diesem gekonnten Täuschungsmanöver, mit dem Astrid sich selbst und die ganze Insel täuschte.
    Und nun wollte Astrid ihren Gerrit in die Wüste schicken. Aha. So mir nichts, dir nichts aus dem Haus jagen. Erlauben konnte sie es sich ja, da der Junge schon aus dem Gröbsten raus war, allein zur Toilette ging und nachts in seinem eigenen Bett schlief. Und das Haus blieb in ihrer Hand, auch wenn sie Gerrit sicher einen Haufen Geld abdrücken musste für den Zugewinn und die Wertsteigerung der Villa Waterkant in den zehn Ehejahren. Aber dann war sie ihn los. Und das wollte sie ja schließlich.
    Endlich wischte Seike die Hände am Handtuch ab und legte das Telefon zur Seite. Paul brabbelte glücklich und zufrieden vor sich hin. Er war ein Prachtjunge, wirklich. Auch der Kinderarzt war zufrieden mit seiner Entwicklung. Hoffentlich würde das Kind in ihrem Bauch gesund sein, zufrieden und gesund wie ihr kleiner Paul, dann könnte sie auch die Dreimonatskoliken verdauen, Hauptsache gesund.
    Hätte Astrid nicht so abrupt aufgelegt, dann hätte sie ihr die Wahrheit erzählt. Hätte von sich und Gerrit berichtet, von der vertrauten Zärtlichkeit bei ihren geheimen Treffen. Aber dazu hatte Astrid mal wieder nicht den Mut gehabt. Tut mir Leid, ich habe jetzt keine Zeit mehr, ähm… die Gäste sind da, verstehst du?, äffte Seike ihre Freundin in Gedanken nach. Astrid hatte keine Gäste, so viel wusste Seike auch. Sie hatte sich mal wieder ganz zimperlich vor unangenehmen Worten gedrückt. Mein Gott, wie sie es hasste, dieses verlogene Gerede.
    Schon allein dieses Freundschaftsgetue. Von Seikes Seite aus war es keine Freundschaft, war nie eine gewesen und würde nie eine sein. Sie verabscheute Astrids Spießigkeit, ihre blank gewienerten Fliesen und die strahlend weißen Gardinen, ihre pflegeleichte Hochsteckfrisur, mit der sie ihre Locken zu verstecken versuchte, ihre

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