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Das Hagebutten-Mädchen

Das Hagebutten-Mädchen

Titel: Das Hagebutten-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Dontjeer gleich danach fragen. Sobald sie endlich bei diesem Bauernlokal angekommen wären, würde sie sich diesen Mann von Redlefsen zeigen lassen. Sie notierte sich die Fragen, die sich aus den neuen Informationen ergaben: Was hatte es mit diesem Instrument auf sich? Wo steckte das Akkordeon jetzt? Wenn diese Antiquität für den Toten so offensichtlich wichtig gewesen war, warum hatte Minnerts Lebensgefährte nichts davon erzählt?
    Wencke schaute nach hinten, sah die unebene, hellgrau gepflasterte Straße unter der Kutsche hervorkriechen, roch frischen Pferdeapfel, Hinterlassenschaften einer der vorderen Kutschen oder vielleicht auch ihrer eigenen. Zu der einen Seite zeigten sich die wild bewachsenen Dünen, zu der anderen lag das Wattenmeer auf der Lauer. Ein paar Pferde grasten dort auf einer graugrünen Wiese, die sich in Form und Farbe kaum von dem dahinter liegenden Schlick unterschied. Wie lang waren sie schon unterwegs? Täuschte sie sich, oder wurde es am östlichen Himmel schon ein wenig dämmrig? Eine große Frau radelte bis auf ein paar Meter an die Kutsche heran. Sie hatte ein schlafendes Kind auf dem vorne angebrachten Kindersitz, dem sie mit ihren auf dem Fahrradlenker liegenden Armen gegen den Wind Schutz bot. Als sie Wenckes Blick auffing, lächelte sie kurz. Die langen blonden Haare wehten aus der Kapuze hervor und streichelten über ihr hübsches Gesicht.
    »Moin«, sagte die Frau, dann trat sie fester in die Pedale und setzte zum Überholen an. Wencke hörte noch, wie sie Sanders mit Namen grüßte, ein »Schön, du bist auch hier« war vom Kutschbock her zu hören, dann wurde wieder alles von der Blasmusik übertönt. Wenn die bunten Fahnen wehen wurde angestimmt.
    »Ich wusste gar nicht, dass man auf Juist so lange Strecken zurücklegen kann. Wir fahren schon seit bestimmt einer Stunde in eine Richtung und sind noch immer nicht angekommen.« Wencke stellte sich hin und spähte durch das durchsichtige Plastikfenster über Sanders’ Schultern hinweg in Fahrtrichtung geradeaus.
    »Und zu sehen ist auch nichts, zumindest nichts, was nach menschlicher Zivilisation aussieht.« Schön hier, dachte sie noch.
    Redlefsen schien froh zu sein, dass sie das Thema gewechselt hatte. Er kicherte kurz. »Wer weiß, vielleicht sind wir inzwischen zu weit gefahren und befinden uns schon am Ostende von Borkum!«
    »Ja, quasi…«, lachte Wencke.

Samstag, 20. März, 18.10 Uhr
    W er weiß hier was?, dachte Sanders misstrauisch, als er endlich vom Kutschbock heruntergeklettert und ins warme Lokal geflüchtet war.
    Wer sitzt hier auf einer der hellen Holzbänke, grinst und trinkt Bier und denkt in Wahrheit daran, dass Minnert gestern Nacht in seinem Schaufenster erstickt ist, ob aus Versehen oder mit Absicht. Jedenfalls könnte hier gut eine Person sitzen, die ihre Hand dabei im Spiel gehabt haben mochte.
    Nein, es fehlten auch zwei Leute. Astrid Kreuzfeldt war nicht da, Henner Wortreich auch nicht. Die trösteten sich wahrscheinlich gerade gegenseitig. Verdächtig waren sie inzwischen beide irgendwie. Astrid Kreuzfeldt wegen der Sache von damals, Henner Wortreich wegen seiner Schweigsamkeit, was die Geschäfte seines Freundes anging. Und die Spur mit den Antiquitäten gab für Sanders weitaus mehr her als diese fünfzehn Jahre alte Beziehungskiste.
    Wencke Tydmers brachte die Erbsensuppe. Mit konzentriertem Blick balancierte sie die beiden randvollen Teller an ihren Fensterplatz, von dem aus man über einen niedrigen Deich auf das Wattenmeer und zur Vogelinsel Memmert schauen konnte.
    Sie schob den Eintopf direkt vor seine Nase. »Lieber Kollege, wenn Sie wüssten, wie sehr ich Sie bewundere!
    Kutsche fahren, eine endlose Strecke lang, und das ohne Lehrgang auf der Polizeischule! Alle Achtung! Wollen Sie meine Bockwurst als Belohnung?«
    Sie hielt ihm ihre dunkelrosa Suppeneinlage entgegen und lächelte verschmitzt. Sanders wurde mal wieder nicht schlau aus dieser Person, wollte sie ihn in diesem Moment auf die Schippe nehmen oder ihm etwas Gutes tun? Egal, er hatte mächtigen Hunger und nickte, sodass die Wurst augenblicklich in seiner Suppe landete.
    Sanders löffelte, dann tunkte er das frisch gebackene Graubrot ein und schob es in den Mund. Köstlich! Dabei war es doch nur Erbsensuppe. Simple, ordentlich durchgekochte Erbsensuppe.
    Wencke Tydmers aß im Vergleich zu ihm langsam. Er konnte sehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete, denn ihre grünen Augen wanderten durch den Raum. »Die Insulaner scheinen sich im

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