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Das Hagebutten-Mädchen

Das Hagebutten-Mädchen

Titel: Das Hagebutten-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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davongelaufen, wenn es unangenehm wurde, und hast…«
    »Jetzt halt endlich die Klappe«, schrie sie. Das Leitungswasser lief ihr am Kinn herunter und tropfte ihr in den Ausschnitt. »Wenn du es wirklich wissen willst: Ich habe nicht bei der Polizei angerufen. Ich war wirklich so dumm und habe dieses Akkordeon brav und heimlich zu mir nach Hause geschleppt, wie du es gesagt hast.
    Und das, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass es etwas mit dem Mord zu tun hat. Ehrlich gesagt glaube ich auch, dass du den Mörder kennst.« Sie lehnte am Spültisch und wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. »Wenn du es nicht sogar selbst warst.«
    Mit einem Ruck stand er auf und ging um den Tisch herum. Einen kurzen Moment lang dachte Astrid, er wollte sie schlagen. Instinktiv zuckte sie zusammen. Doch er blieb vor ihr stehen und griff sie hart an den Schultern.
    »Verdammt, du weißt genau, wie ich ihn geliebt habe. Von Anfang an. Wie verrückt habe ich ihn geliebt.«
    Sie stieß ihn von sich. Henner war überrumpelt von ihrer plötzlichen Aggression. Er taumelte ein wenig und prallte gegen das Küchenregal. Die Töpfe und Gläser klirrten gegeneinander, er musste sich an der Arbeitsplatte festhalten, um nicht zu stürzen.
    »Hast ihn geliebt, he?« Diesmal war sie es, die auf ihn zuging, ihn packte und zwang, ihr ins Gesicht zu blicken.
    »Und ihn trotzdem betrogen! Meinst du wirklich, ich ahne dein kleines Geheimnis nicht?« Er wollte wegschauen, doch sie drehte seinen Kopf zurück und fing seinen Blick wieder auf.
    »Immer nimmst du mir alles weg, alles! Und lachst dich wahrscheinlich kaputt über mich, weil du meinst, ich sei zu dämlich, alles zu verstehen. Aber meinetwegen, diesmal gebe ich gern nach, ich will ihn nämlich nicht mehr haben, er widert mich an.«
    »Wovon redest du?«, fragte Henner.
    »Von wem? Verarsch mich bitte nicht noch einmal!« Waren dies wirklich ihre Worte? »Nimm Gerrit, nimm ihn und dann lasst mich endlich in Ruhe!«
    Plötzlich sah sie Gerrit im Türrahmen stehen. Der Lärm vom Küchenregal musste ihn geweckt haben. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er sie an. »Was ist hier los?«
    Henner hatte zu lachen begonnen. Astrid konnte nicht verstehen, warum. Er wollte sie lächerlich machen. Das war es wahrscheinlich. Hatte er ja ohnehin schon immer getan. Er und die anderen.
    »Gerrit, ich lach mich kaputt! Jetzt verstehe ich! Gerrit soll schwul sein? Ist es das, was du denkst?«
    Astrid nickte sprachlos. Er sollte endlich aufhören, sie auszulachen. Das war das Schlimmste. Nicht die Worte, sondern das Prusten dazwischen, das Kichern, es wirkte aufgesetzt und gereizt, er sollte endlich damit aufhören.
    »Hast du das gehört, Gerrit? Deine Frau hat eine ausgewachsene Paranoia, sie meint, jeder Mann, den sie liebt, wird schwul!« Und dann hörte er auf, wurde von einer Sekunde auf die andere wieder ernst und starrte sie kopfschüttelnd an. »Du hast so wenig Ahnung, wie es läuft im Leben, Astrid! Alles beziehst du nur auf dich. Doch die Sache mit mir und Kai hat nichts mit dir zu tun. Hatte es nie! Wir sind eben schwul, Astrid. Wir sind es immer gewesen, vielleicht sogar schon von Geburt an, was weiß ich! Aber dein Gerrit ist es nicht. So ein Schwachsinn, wirklich! Gerrit vögelt mit Seike, bist du wirklich nie auf den Gedanken gekommen?«
    »Nein!« Astrid schüttelte den Kopf. Sie blieb ganz ruhig, sie zitterte noch nicht einmal. Sie starrte nur auf Gerrit, der noch immer nicht richtig ins Zimmer getreten war. Ihr Mann, mit dem sie seit zehn Jahren verheiratet war, mit dem sie einen Sohn hatte und ein Haus. Man sah ihm an, dass er sich in diesem Moment ans andere Ende der Welt wünschte. Astrid wäre das nicht weit genug gewesen.
    In ihrem Kopf schwirrte es. Sie musste würgen, trocken und heftig, hielt sich mit beiden Armen am Spültisch fest und würgte, dass ihr die Luft wegblieb und ihr die Tränen in die Augen stiegen.
    Sie blickte auf, verschwommen sah sie Henner und Gerrit, wie sie da standen, ernst und irgendwie ratlos. Standen da und glotzten und dachten nicht daran, sie einmal in den Arm zu nehmen, vielleicht nur einen kurzen Augenblick, egal, was gerade passiert war, immerhin kotzte sie in diesem Moment ihr ganzes Leben auf den Küchenfußboden.
    Ja, natürlich! Seike wohnte im selben Haus, ihre Türen lagen nebeneinander, Gerrit hatte denselben Weg gehabt, lieferte Michel bei seinem Onkel ab, und dann… dann besuchte er ihre beste Freundin, berührte sie, verschwand in ihrem

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